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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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sie schon verhört hatte, aber ein paar Fragen konnte ich ihr ja wohl stellen, dachte ich. Während ich drüber nachdachte, fuhr auch schon der Aufzug los, deshalb ließ ich es erst mal bleiben und ging hoch, um den Anwalt zu verhören.
    Ich kam an die Tür und klingelte. Weil keiner aufmachte, klingelte ich nochmal. Dann hörte ich von drinnen Schritte, sah den Spion aufblitzen, als jemand durchsah, dann die verärgerte Stimme einer alten Frau.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    »Ich bin von der Polizei, Signora.«
    »Können Sie sich ausweisen?«, sagte sie immer noch nervös. »Ich will Ihren Ausweis sehen.«
    Die nahm mir nicht mal die Uniform ab. Ich hielt den Ausweis vor die Tür, damit sie ihn anschauen konnte. Trotzdem konnte sie sich nicht durchringen aufzumachen.
    »Die Polizei hat uns schon verhört. Wir haben nichts mehr zu sagen.«
    Ich dachte mir, dass sie vielleicht nicht richtig sehen konnte, weil es so dunkel war.
    »Signora, ich bin Polizist. Ist Ihr Mann da?«
    Jetzt schrie sie fast.
    »Verschwinden Sie. Lassen Sie uns in Ruhe. Wir sind anständige Leute. Gehen Sie endlich.«
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Während die Frau immer wieder schrie, dass ich abhauen sollte, hörte ich von drinnen die Stimme vom Anwalt näher kommen.
    »Wer ist denn da? Was plärrst du so?«
    »Die Polizei«, sagte sie aufgeregt. »Ich habe gesagt, dass sie uns in Ruhe lassen sollen, aber der will einfach nicht verschwinden.«
    »Die Polizei?«
    »Genau. Ich habe gesagt, dass sie uns schon verhört haben und wir nichts weiter zu sagen haben.«
    »Bist du wahnsinnig, willst du uns in Schwierigkeiten bringen?«
    Das Schloss drehte sich dreimal, und die Tür ging auf.
    Der Anwalt war sicher über siebzig. Groß, hager, mit weißen, nach hinten gekämmten Haaren und faltigem Gesicht. Er war immer gut gekleidet, aber im Gegensatz zu gestern war er nicht rasiert und wirkte älter. Er entschuldigte sich für seine Frau, ließ mich rein und ging mir im Korridor voraus. Seine Frau kam hinter uns her. Sie sah älter aus als er. Knochig, krumm, die grauen Haare klebten ihr am Kopf. Sie lief mit schnellen, kleinen Schritten und hörte nicht auf.
    »Die Polizei hat uns schon verhört. Weshalb kapieren Sie nicht, dass wir nichts mehr dazu zu sagen haben? Wir wissen nichts über diese Geschichte, lassen Sie uns in Ruhe.«
    Mir platzte fast der Kopf von dem Gewäsch.
    Irgendwann hatte auch der Anwalt genug. Er drehte sich zu seiner Frau um und breitete die Arme aus.
    »Bitte, Matilde.«
    Sie murmelte weiter vor sich hin, verschwand aber mit schnellen Schrittchen.
    »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte der Anwalt, als wir im Wohnzimmer waren.
    »Bitte keine Umstände, Avvocato.«
    »Zieren Sie sich nicht: Kaffee, Bier, ein kleiner Schnaps?«
    »Na ja, ein Glas Wasser wär nicht schlecht bei der Hitze.«
    »Wenn Sie mich entschuldigen«, sagte der Anwalt, und ging aus dem Zimmer.
    Während ich auf ihn wartete, schaute ich mich um.
    Das Wohnzimmer war riesig. Ein Regal, das bis unter die Decke reichte, so ein Monster, vollgestopft mit Büchern. Einige waren richtig alt, aber gepflegt, kein Staubkorn. Auf einer Kommode in einem Glaskasten ein polierter Orden. Auf einem Tischchen an der Seite ein Marmorschachspiel, auch die Spielfiguren waren aus Marmor. Neben dem Fenster ein antiker Holzstuhl, eine zwei Meter hohe Standuhr und eine Musikanlage, die in die Wand eingelassen war. Auf dem Boden ein Teppich, der wertvoll aussah, ein wenig abgetreten. An den Wänden drei Bilder mit religiösen Motiven, wahrscheinlich auch was wert. Und zwei alte Fotos in Lebensgröße, wahrscheinlich von Verwandten, die hatten die gleiche Kartoffelnase wie der Anwalt.
    Er kam mit dem Wasser zurück und zeigte auf einen Sessel ohne Armlehnen. Er setzte sich auf genau so einen.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte er freundlich.
    Der Anwalt schüchterte mich ein wenig ein. Weil er so vornehm war, klar. Aber auch, weil er aus der Nähe wie ausgehöhlt aussah, als würde ihn eine Krankheit zerfressen.
    »Ich habe den Orden gesehen, Avvocato, waren Sie im Krieg?«, fragte ich, um das Gespräch in Gang zu bringen.
    Sein Gesicht leuchtete auf, ich begriff, dass er gern über die Vergangenheit sprach.
    »Ich war über ein Jahr in Afrika. Sie sind jung, da waren Sie noch nicht mal geboren. Den Orden haben sie mir aber später verliehen, weil ich zwei Kinder vor den Nazis gerettet habe.«
    »Das ist großartig«, sagte ich.
    »Ich habe auch die vier Tage

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