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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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der Mensch nur dann frei ist, wenn er einen Beruf hat.
    In Gedanken bei meinem Großvater, kam ich unten in Mergellina an. Draußen auf dem Meer vor dem Castel dell’Ovo fand eine Segelregatta statt, zehn oder fünfzehn Schiffe mit schlaffen Segeln, die nicht vom Fleck kamen. Sie warteten auf Wind, aber nicht mal aus Versehen kam eine Böe vorbei. In der Nähe der Felsen lag ein Boot verankert, beinahe am Ufer, und unter dem Sonnensegel hörte man ein Pärchen streiten. Das Wasser vor dem kleinen Strand war grau und voller Plastiktüten, aber die Leute badeten trotzdem. Aus dem Hafen von Mergellina fuhr ein Reiche-Leute-Schiff aus, dreistöckig und mit Matrosen in Uniform, die die Fender einzogen.
    Ich blieb stehen und schaute mir das Schiff im Sonnenlicht an.
    Es war unerträglich heiß, trotzdem schaute ich zu. Schnell nahm das Schiff Kurs auf einen Punkt zwischen Capri und Punta Campanella und zog hinter sich Schaumwellen her, die wie gezeichnet aussahen, so scharf umrissen waren sie. Ich wartete, bis ich das Schiff nicht mehr sehen konnte.
    Irgendwann wollte ich auch mal eine Reise machen. Vielleicht nach Sizilien, mit der Fähre, die abends ablegte. Ich hatte in einer Zeitschrift gelesen, dass es auf Sizilien Orte gibt, wo du glaubst, du bist im Paradies. Kristallblaues Meer, Stille und Apfelsinen so groß wie die Zitronen von Sorrent. Ich würde den ganzen Tag nur schwimmen, Seeigel mit Brot essen und vielleicht eine kennenlernen, der Markenjeans egal sind.
    Ich nahm die Dienstmütze ab und hielt den Kopf unter den Wasserstrahl eines Trinkbrunnens. Dann trank ich ein paar Schlucke, ging über die Straße und nahm den Bus zurück in die Zentrale.
    Als ich ankam, lief der Commissario grade mit Cipriani die Treppe runter.
    »Commissà, wo gehen Sie hin?«
    »Wir schnappen uns den Pianisten.«
    »Haben Sie ihn gefunden?«
    »Ein Informant hat Lo Masto verraten, wo er sich verstecken könnte.«
    Der Commissario ging in Richtung Auto. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Als er einstieg, sah er mich unschlüssig auf dem Bürgersteig stehen.
    »Was ist? Los, beeil dich.«
    Der Commissario setzte sich neben Cipriani auf die Beifahrerseite, ich ging nach hinten. Vor uns noch ein Wagen mit Lo Masto, Scarano und Cardillo.
    »Ach so, Ciprià«, sagte der Commissario, als wir losfuhren, »wir müssen erst noch zu den Lo Russo. Nur eine Minute.«
    »Zu Sarahs Eltern?«
    »Ja. Wir müssen ihnen sagen, dass es mit der Autopsie länger dauert und die Beerdigung verlegt werden muss«, erklärte der Commissario.
    »Da hätten wir doch auch anrufen können«, sagte Cipriani.
    »Hätte man, Ciprià, aber ich hab’s vergessen, okay? Verständige die Streife vor uns, sonst verlieren wir die.«
    Cipriani hat das Auto von Lo Masto überholt und Zeichen gegeben, uns zu folgen.
    »Was hat der Anwalt noch gesagt?«, fragte der Commissario.
    »Dass er um Viertel vor vier das Mädchen hat schreien hören und deshalb die Polizei gerufen hat.«
    »Keine Geräusche?«
    »Er hat von Schreien geredet. Er wollte raus, aber seine Frau hat ihn zurückgehalten. Deshalb hat er angerufen. Er sagt, sofort, aber das glaub ich nicht. Ciprià, erinnerst du dich, wann die Zentrale uns angerufen hat?«
    »Das muss gegen halb fünf gewesen sein.«
    »Also ist mindestens eine halbe Stunde vergangen, bevor er so weit war.«
    »Sonst noch was?«, fragte der Commissario.
    »Nichts. Nur so eine Chinesin am Aufzug, die ich gestern gar nicht gesehen habe. Weißt du was von der, Ciprià?«
    »Das ist eine Philippinin, keine Chinesin«, korrigierte er mich.
    »Wie auch immer, jedenfalls aus der Ecke.«
    »Sie heißt Martinez und ist Hausangestellte bei den Caputo, die im dritten Stock wohnen. Sie sind allein auf der dritten Etage.«
    »Sind die Millionäre?«
    »Er ist ein erfolgreicher Architekt, und sie hat ein Geschäft mit Handtaschen. Aber das steht alles in meinem Bericht.«
    Den Bericht hatte ich total vergessen.
    »Die Vorschriften besagen, dass der zu lesen ist. Hast du das getan?«
    »Zweimal«, log ich. »Aber diese Caputo sind mir irgendwie durchgerutscht.«
    Ich hatte Angst, der Commissario würde ausrasten. Aber er sagte nichts und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    Fünf Minuten später waren wir in der Via del Parco Mastriani. Der Commissario stieg aus und ging zum Eingang. Dann kam er zurück und lehnte sich ans Fenster.
    »Acanfora, kommst du?«
    »Ich?«
    »Ich glaube, du bist gut in solchen Situationen.«
    »Ist mir eigentlich ein

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