Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
für römische Augen primitiv und reizlos. »Wir könnten vieles erreichen«, sagte Porteus zu Tosutigus und erzählte von der prächtigen roten Wolle aus Asien und dem Gebiet Beaticas, der reinen schwarzen Wolle aus der Provinz Iberien. »Aber die schönste«, sagte er, »ist die Wolle aus Süditalien; denn sie ist rein weiß und so fein, daß sie dir in der Hand zu zergehen scheint.«
    »Möchtest du etwa unsere Herden abschaffen?« fragte Tosutigus empört.
    »Nein. Wir werden sie kreuzen«, erklärte Porteus. Er verstand von Schafzucht eigentlich nichts, aber er hatte die Werke des großen Schriftstellers Varro zu diesem Thema gelesen und hatte außerdem eigene Ideen. Erst vor kurzem hatte er Anweisung zur Einfuhr von sechs ausgesucht schönen Schafen aus Italien gegeben. Nach wenigen Monaten erhielt er von den Händlern Nachricht, daß die Tiere unterwegs seien.
    Die Ankunft der sechs italienischen Schafe verursachte einigen Aufruhr in Sarum. Eines Nachmittags wurden sie in einem Planwagen zur Düne gebracht, Männer und Frauen versammelten sich und sahen Porteus und dem Stammesfürsten beim Ausladen zu.
    Porteus zog die Plane zur Seite und ließ das erste Schaf heraus. Als die Menge es sah, brach sie in Gelächter aus, und Tosutigus wurde rot vor Verlegenheit: Das Schaf trug einen Umhang, der es ganz bedeckte.
    »Es ist kahl!« riefen sie. »Das italienische Schaf ist kahl. Es muß einen Mantel tragen!« Porteus blieb ungerührt. »Sie haben alle diese Decken – sie heißen pellitae«, erklärte er geduldig. »Das schützt ihre Wolle.«
    Ruhig löste er die Lederriemen und entfernte die Decke. Da verstummte das Gelächter: Das Schaf war keineswegs kahl – es hatte das prächtigste Fell, das sie je gesehen hatten. Es war so lang, daß es bis auf den Boden reichte. Es glänzte fein und war weiß wie Schnee. Die Menge staunte. Einige Frauen kamen näher, um das Fell zu berühren, und waren verblüfft von der Weichheit. Porteus führte jetzt ein Schaf nach dem anderen heraus, nahm die pellitae ab und enthüllte das strahlendweiße Fell darunter.
    Aber Tosutigus war verwirrt. »Es sind ja alles Mutterschafe«, beschwerte er sich. »Wie willst du ohne einen Schafbock züchten?«
    »Wir brauchen keinen Bock«, antwortete Porteus. »Die Böcke sind schon hier.«
    In den folgenden Jahren demonstrierte Porteus die römische Kunst der Schafzucht, indem er sorgfältig mit der »alten« Rasse kreuzte. Er ließ die italienischen Schafe von einheimischen Böcken decken. Die daraus entstehenden Lämmer hatten grobes Fell von unterschiedlicher Farbe. Porteus hatte Geduld. »In der zweiten Kreuzung gelingt es«, erklärte er.
    So war es auch. Als er die weißen Böcke aus der ersten Kreuzung wieder mit den römischen Mutterschafen paarte, waren die Ergebnisse hervorragend: Alle Schafe hatten schönes Fell – etwas gröber als das italienische, aber bestens für das Klima in Sarum geeignet; und alle Schafe waren reinweiß.
    Als die Menschen in Sarum seine Leistung sahen, brachten sie Porteus neue Achtung entgegen.
    »Dieser Römer ist ein guter Landwirt«, sagten sie. Porteus führte bald auch eine neue Art der Wollgewinnung ein. »Ihr zupft die Schafe, wenn sie im Frühling ein neues Fell bekommen«, sagte er zu Tosutigus, »und dann verlieren sie das Fell wieder im Herbst, und viel Wolle geht verloren. Das Zupfen dauert lang und ist unergiebig.« Er zeigte dem Stammeshaupt eine Metallschere. »In Zukunft benutzen wir diese und können damit die Erträge verdoppeln.« Er ließ die Wolle von den Männern auch mit Eisenkämmen bearbeiten, um die langen Fasern von den kurzen zu trennen.
    Bald darauf konnte man Porteus’ weiße Schafherden überall auf der Hochebene neben der braunen Rasse antreffen. Sie waren robust, wendig und trugen keine pellitae. Sie lieferten jedoch große Mengen erstklassiger weißer Wolle.
    Tosutigus sagte zu seiner Tochter: »Unser Römer hat uns nicht nur seine Sitten gelehrt – er macht uns sogar reich.« Als er fünf Jahre verheiratet war, stellte Porteus mit Befriedigung fest, daß er trotz allem etwas aus seinem Leben gemacht hatte. Maeve hatte ihm drei Kinder geschenkt: zwei Jungen und ein Mädchen. Die beiden Knaben sollten eine römische Erziehung bekommen. Wenn sie etwas älter waren, wollte er einen Tutor für sie einstellen.
    Sein Besitz gedieh. Porteus setzte sich bei den Verbesserungen derart ein, daß er das Thema eines Wegzugs von Sorviodunum nicht einmal beim Prokurator erwähnte; seine

Weitere Kostenlose Bücher