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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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fest und ist mit einem einheimischen Mädchen verheiratet. Ich glaube, seine Familie in Gallien hat alles verloren. Möglicherweise will er uns gar nicht sehen«, hatte Marcus klug zu bedenken gegeben.
    Aber Lydia meinte: »Er wird noch mehr verletzt sein, wenn er hört, daß wir in der Provinz waren und nicht einmal versucht haben, ihn zu sehen.« So reisten sie nach Sorviodunum. Sie fuhren in einem leichten geschlossenen Wagen mit zwei Vorreitern, die forsch vor der kleinen Gruppe an der Düne anhielten. Kaum waren die Räder zum Stehen gekommen, als Marcus mit einem Willkommensruf absprang und Porteus’ Arm drückte.
    »Sei mir willkommen, mein lieber alter Freund!« rief er und verbeugte sich so achtungsvoll vor dem Stammeshaupt und Maeve, daß es selbst für die Familie von Gracchus angemessen gewesen wäre. Marcus hatte sich nicht verändert. Er war vielleicht ein bißchen massiger geworden; sein breites hübsches Gesicht mit den weit auseinander liegenden Augen wies ein paar Linien mehr auf, doch das deutete auf Erfolg und Autorität hin, wie Porteus zugeben mußte. Er strahlte die Sicherheit eines Mannes aus, der mächtige Gönner hinter sich weiß. Aber als Lydia ausstieg, hatte Porteus nur noch Augen für sie. Sie hatte sich verändert; und sie war doch zugleich die Verkörperung seiner Ideale geblieben.
    Gesicht und Körper hatten alles Kindhafte, Weiche abgelegt und die festen, vollen Formen der eleganten Römerin angenommen. Porteus bemerkte, daß der klassisch vollkommene Körper äußerst verführerisch und gleichzeitig unberührbar war, charakteristisch für die vornehmsten Kreise der Kaiserstadt. Lydias leicht gewelltes Haar war, nach der neuesten Mode in Rom, hoch aufgetürmt. Als sie auf ihn zukam, nahm er den feinen Duft wahr, mit dem sich die Römerinnen parfümierten. Er stellte fest, daß er selbst diesen Duft vergessen hatte. Ihre olivfarbene Haut leuchtete makellos. Offenbar bekam ihr das Leben mit Marcus gut. In diesen paar Jahren hatte sich die kindliche Tochter des Senators, die über seine Knabenwitze gelacht hatte, in eine vornehme Römerin verwandelt.
    Sie stand vor ihm, lächelte leicht, da sie sah, daß er sie immer noch begehrenswert fand, und sagte leise: »Sei gegrüßt, mein Porteus.« Maeve beobachtete sie fasziniert. Sie erkannte sofort, daß diese junge Frau aus einer anderen Welt kam, zu der sie selbst keinen Zugang hatte, die sie nicht einmal begreifen konnte. Das war also jenes Rom, nach dem sich ihr Mann sehnte. Als sie den Wagen zu der kleinen Villa begleiteten, flüsterte sie Porteus zu: »Gibt es viele solche Frauen in Rom?«
    Und Porteus, der sie nicht merken lassen wollte, daß er Lydia hoch einschätzte, antwortete: »Ja, viele.«
    Maeve nickte gedankenverloren und entschied auf der Stelle, daß sie nie dorthin fahren wollte, wenn es sich irgend vermeiden ließ. Auf dem Weg zur Villa verletzten die beiden Porteus tief, ohne es zu ahnen. Er hatte sein Pferd neben den Wagen gelenkt und beugte sich gerade hinunter, um den Vorhang zur Seite zu ziehen und ihnen etwas zu sagen, als er Lydia, die ihn nicht sehen konnte, leise ausrufen hörte: »Schau – ach, Marcus, schau, diese Hütte, da lebt er!« Und er hörte Marcus flüstern: »Wir hätten nicht herkommen sollen. Lobe alles und lächle.«
    Porteus richtete sich hoch im Sattel auf. Sie hatten keine Ahnung, daß er sie gehört hatte. Als er auf die Villa hinunterblickte, die er gebaut hatte, sah er sie zum erstenmal als das, was sie war: ein armseliges, abseits liegendes kleines Gehöft. Und eine Weile kämpften in ihm widerstreitende Gefühle, ausgelöst durch die Begegnung mit seinen früheren Freunden: Verlegenheit und Scham.
    Am Haus wurden die Kinder zur Begrüßung vorgeführt. Die beiden Jungen sagten ein paar Grußworte auf latein, was ihnen Lob einbrachte. »Wir haben auch zwei Söhne in Rom«, sagte Marcus. »Aber es ist mir nicht gelungen, ihnen beizubringen, so artig zu sprechen, wie deine es tun, Porteus.«
    Am Nachmittag führte Porteus sie durch das Anwesen. Er tat es ohne sonderliche Begeisterung. Dafür lieferte Tosutigus einen wortreichen Kommentar, indem er die genialen Verbesserungen seines Schwiegersohnes bis zum Verputz an den Wänden gebührend herausstellte. Marcus fielen sofort die weißen Schafe auf, und er stellte kluge Fragen hinsichtlich der Kreuzung; außerdem steuerte er Informationen über Neuerungen in der Landentwässerung bei. Sein Interesse schien echt, und Porteus war dankbar

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