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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Bekehrung der Angelsachsen brauchte ihre Zeit. Im Jahre 597 war ein Mönch, der heilige Augustin, von Papst Gregor gesandt, in Kent gelandet, dessen heidnischer König und seine christliche Gemahlin ihm gestattet hatten, das Volk zu missionieren. Von hier aus hatte die römische Kirche wachsenden Erfolg bei der Bekehrung der Sachsen. Auf ihrem Zug nach Norden traf sie auf die Reste der älteren keltischen Christengemeinde. Obwohl die keltischen Mönche Britanniens, viele von ihnen in Irland geschult, sich von der römischen Kirche des übrigen Europa abgesetzt hatten, wurden auch sie schließlich in ein geeintes Ganzes zurückgeführt, das die Allgewalt des Papstes anerkannte, und zwar auf der großen Zusammenkunft der Kirchenväter im Jahre 664, die seither als die Synode von Whitby bezeichnet wird.
    Obgleich die Insel, verglichen mit ihrer römischen Vergangenheit, auf einem primitiven Stand war, hatte sie doch in den Jahrhunderten des Triumphes von Northumbrien und Mercien eine große Zeit. Die Künste blühten auf. Die alte lateinische Kultur erhielt neuen Aufschwung. Neue Bistümer wurden gegründet. Ein guter Stern stand über der Insel, bis die Nordländer hereinbrachen.
    Sie kamen von der großen Halbinsel Jütland am Rand der Ostsee. Nach dem Tod Karls des Großen am Anfang des Jahrhunderts hatten sich ihre Aktivitäten verstärkt. Als das dänische Königreich durch einen Streit innerhalb der Dynastie zusammenbrach, begann ein neues schreckliches Zeitalter für Europa: das der Wikinger. Ihr Name bedeutet »Piraten«.
    Die heidnischen Wikinger waren grausame Plünderer. Mehr als zwei Generationen lang wüteten sie auf der Insel wie eine Seuche. Als Alfred den Thron von Wessex bestieg, war England tatsächlich in zwei Teile gespalten. Im sogenannten Danelaw – den ehemals von den Dänen besetzten Gebieten Englands nördlich der Themse – übten die Wikinger die Oberherrschaft aus, bewegten sich frei und erhoben hohe Tribute von den eingesessenen Bauern und Kaufleuten, um zu überleben. Wessex aber blieb frei. Wenn auch die Wikinger verschiedene Überfälle auf das südliche Territorium unternahmen, bezwangen sie es doch nie. Letztlich war das ein Verdienst König Alfreds.
    Schließlich spaltete sich die wachsende Streitmacht der Wikinger, die den unglücklichen Bewohnern von Northumbrien und Mercien praktisch alles genommen hatten, in mehrere Gruppen. Eine davon übernahm das Gebiet im Norden, das spätere Yorkshire; eine weitere eignete sich Ostanglien an; eine dritte hatte ein Auge auf Irland geworfen, und ein vierter mächtiger Verbund marschierte erneut gegen Wessex. Sie zogen fast bis zum südlichen Meer, doch hier wurden sie schließlich von den sächsischen Heeren aufgehalten: Man schloß Frieden.
    Gegenleistung für eine Abfindung schworen die Wikinger ihren heiligsten Eid, Wessex zu verlassen und in Zukunft nie mehr zu belästigen. Sie brachen diesen Eid unverzüglich und zogen nach Westen in die Siedlung Exeter, wo sie auf Verstärkung warteten. Schließlich hatte Gott wohl ein Einsehen mit dem Volk von Wessex. Nahe der Küste wurde die Verstärkung der Wikingerflotte durch einen starken Sturm zerstört, und bald darauf, im Herbst 877, zogen die Eindringlinge sich an die Grenzen Merciens zurück und richteten dort ihr Winterlager ein. Wessex triumphierte, und zumindest für den Winter konnte man mit einer friedlichen Zeit rechnen.
    Aller Augen waren auf den schmalen, grauhaarigen Mann gerichtet, der schüchtern, doch aufrecht mitten in der Menge stand. Alles hing vom Ausgang des Prozesses ab, doch Port – so hieß der Mann –, der nicht glaubte, daß er ihn verlieren würde, dachte bereits an die Zukunft: Er mußte eine Entscheidung in einer Angelegenheit treffen, die ihn in den letzten beiden Wochen beschäftigt hatte. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Sollte er erst an sich oder an seine Schwester denken? Nie zuvor hatte ihm eine Entscheidung so viele Sorgen gemacht. »Port soll seine Anklage vorbringen«, ertönte die barsche Stimme des Vogts.
    Langsam nahm Port die Bandage von seinem rechten Arm und hielt ihn hoch.
    »Sigewulf hat mich verwundet«, war seine Beschuldigung. Die Menge starrte auf den zerfetzten Stummel, wo ursprünglich Ports rechte Hand gesessen hatte.
    Es war ein frostiger Morgen zu Beginn jener Winterperiode, in die das Julfest fiel. Trotz der Kälte hatte sich das Hundertschaftsgericht getreu dem Brauch auf dem Marktplatz von Wilton versammelt. Die etwa sechzigköpfige

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