Sarum
aufrieb, stürmte Constantius ganz allein nach vorn. Er stob in wildem Galopp dahin, hielt die zurückweichenden Sachsen auf und versetzte hier und da einem Krieger unter wildem Geschrei einen Schwerthieb. »Er ist wahnsinnig«, rief Petrus, »wenn er nicht umkehrt, schneiden sie ihm den Rückweg ab.«
Constantius dagegen war sich der Gefahr anscheinend nicht bewußt. Unentwegt trieb er sein Pferd in die feindliche Linie und versetzte den Gegner durch seine Schwerthiebe in unbändige Wut. Die Sachsen, die sich noch am Wall befanden, durchschauten nun Constantius’ dreisten Plan und liefen zu ihren Kameraden zurück; doch Constantius ließ sich nicht beirren. Petrus zählte sieben durch des Vaters Hand gefallene Sachsen.
Unerbittlich schloß sich der feindliche Ring um den einsamen Reiter. Trotzdem streckte Constantius zwei weitere Krieger nieder – er dachte anscheinend nicht daran, sich zurückzuziehen. Sein Brustpanzer leuchtete in der Sonne, während er sein Pferd herumriß – ein heroischer Anblick! Der Angriff auf die Düne war abgeschlagen, und aller Augen hingen an dem ungleichen Kampf, der da unten ausgetragen wurde. Jedesmal, wenn Constantius vorpreschte, jubelten die Verteidiger; wenn er angriff, herrschte gespanntes Schweigen. Und immer, wenn er wie durch ein Wunder entkam, klatschten sie erleichtert Beifall. Petrus bemerkte Placidia an seiner Seite, die das Geschehen im Tal ebenfalls beobachtete. Auch sie mußte sich über den unvermeidlichen Ausgang im klaren sein, doch ihr Gesicht war wie versteinert.
Constantius unternahm keinerlei Versuch, seinem Schicksal auszuweichen. Er befand sich wohl in einer Art Ekstase, daß er diesen Kampf gegen die gesamte noch verbleibende Sachsenmacht fortführte, bis sie ihn schließlich eingekreist hatten und ihn vom Pferd rissen. Petrus sah sie in einem Knäuel, ihre Schwerter hoben sich und sausten auf ihn nieder. Selbst hier oben konnten alle auf dem Wall das gräßliche Geräusch der Waffen vernehmen, die den Leib seines Vaters zerstückelten.
Placidias Gesicht war unbewegt, doch in ihren Augen standen Tränen. »Armer Mann«, hörte Petrus sie flüstern, »es blieb ihm nichts anderes übrig.«
Die Sachsen griffen nicht mehr an. Langsam schleppten sie ihre Toten weg. Die Verteidiger sahen vom Wall aus, wie sie unten einen großen Scheiterhaufen errichteten und dort, ihrer Sitte gemäß, in den nächsten Stunden die Toten verbrannten, ehe sie abzogen. Allerdings nahmen sie Rache. In jener Nacht loderten die Flammen aus den verlassenen Höfen der Gegend hoch auf; die Sachsen hatten sie in Brand gesteckt.
Auf Petrus’ Anordnung blieben alle noch einen Tag auf der Düne, und die Wälle wurden nachts gut bewacht. In der Morgendämmerung sandte er Kundschafter aus, die bald mit der Nachricht zurückkehrten, daß die Eindringlinge abgezogen wären.
Die Villa war völlig ausgeplündert worden, doch glücklicherweise war nur die Hälfte des Haupthauses niedergebrannt. Die Nebengebäude und Speicher jedoch waren bis auf den Grund zerstört. Als Petrus mit seiner Mutter und Numincus den Schaden überprüfte, sagte der Verwalter nachdenklich: »Es gibt jetzt viel Arbeit. Ich werde versuchen, es zu schaffen, ehe du aus Irland zurückkommst.«
Petrus schwieg und stellte dabei fest, daß er die vergangenen drei Tage nicht mehr an seine Mission gedacht hatte. Er starrte auf die verkohlten Ruinen und verzog den Mund. »Meine Reise nach Irland wird vorläufig verschoben«, sagte er.
Während Sarum geschäftig zu seinem Alltag zurückkehrte, fand ein kleines, aber wichtiges Ereignis statt. Zwei Tage nach dem Abzug der Sachsen sah Petrus auf der Rückkehr von den Anhöhen, wo er die Schafherden inspiziert hatte, Sulicena zum letztenmal. Sie saß auf einem Karren neben einem großen bärtigen Mann, den Petrus als einen der Landarbeiter erkannte. Der Karren war vollgeladen mit ihren Habseligkeiten; sie befanden sich offensichtlich auf dem Weg nach Westen, zum Fluß Severn. Obwohl Petrus nur einige Meter entfernt war, sah Sulicena nicht zu ihm hin. Ein zweiter Karren mit lärmenden Kindern, ihren Eltern und einer alten Frau, sicher die Großmutter, folgte unmittelbar dahinter. Es waren wohl Tarquinus’ Verwandte.
Petrus wollte Sulicena nicht ansprechen, also ritt er zum zweiten Wagen. »Wohin fahrt ihr denn?«
»Nach Westen.«
»Warum? Haben wir nicht eben die Sachsen in die Flucht geschlagen?« Der Mann zuckte die Achseln. »Bis zum nächsten Mal. Aber sie haben unseren
Weitere Kostenlose Bücher