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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Entschädigung.
    Sigewulf schüttelte unglücklich den Kopf. Der Preis, den er zahlen sollte, war beträchtlich, und zwar aus zwei Gründen: Erstens waren Wergeldabgaben absichtlich hoch angesetzt, damit die Menschen sich friedlich verhielten, und zweitens gehörte Port zu einer raren Klasse der angelsächsischen Gesellschaft – er war das, was manche Leute einen UnterThan nannten, und sein Wergeld war deshalb dreimal so hoch wie das eines einfachen freien Bauern; denn Ports Vorfahren waren adelige Britannier gewesen.
    Der alte römische Name Porteus war in Sarum längst vergessen wie das meiste aus der römischen Vergangenheit. Viele Schotterstraßen waren überwachsen, manche ganz verschwunden. Es gab jetzt neue Pfade durchs Tal. Die Städte, Tempel und Bäder aus Stein waren kaum noch erhalten. In König Alfreds neuer Hauptstadt Winchester, dem ehemaligen Venta, hatten Teile des massiven römischen Walls überdauert, doch die Siedlung Sorviodunum war nun marschiges Weideland. Und dort, wo einst die Villa der Familie Porteus gestanden hatte, befand sich nun ein schöner hölzerner Speicher und etwas tiefer, breit hingestreckt, das Anwesen und die herrliche Wohnhalle aus Eichenbalken der Familie des Thans Aelfwald.
    Der Reichtum der Familie Porteus war vergangen. Die Villa und fast der gesamte Landbesitz waren ihr genommen und Aelfwalds Familie zugesprochen worden. Etwas jedoch war ihnen geblieben. Während die Sachsen das fruchtbare Land an den unteren Abhängen nahmen, durfte die Familie Porteus das kahle Gelände auf der Höhe behalten. Dort lebten – in einem kleinen Gehöft, wo sie etwas Getreide anbauten und die von ihrem Vorfahren eingeführten weißen Schafe weideten – die Nachkommen der ehemaligen Herren von Sarum dreihundert Jahre lang. Eben jetzt konnte sich das alles ändern, und das war Ports großes Problem. Denn die Ereignisse dieses Tages gaben ihm die Möglichkeit, seiner Familie eine Position zu verschaffen, die sie seit Jahrhunderten nicht mehr innegehabt hatte.
    »Mit dem Wergeld und dem, was ich besitze«, dachte er, »kann ich morgen bei Sonnenuntergang ein Than sein.« Aber sein Mut sank wieder. Natürlich wäre es möglich, doch dann müßte er das feste Versprechen brechen, das er seiner Schwester gegeben hatte.
    »Nun, kommst du?« Aelfwald stand neben ihm. Er lächelte breit. Die beiden so unterschiedlichen Männer hatten einander gern, und wenn es auch Ports heimlicher Ehrgeiz war, selbst ein Than zu werden, konnte er sich über seinen Herrn nicht beklagen. Aelfwald war begleitet von seinen Söhnen, seiner Tochter, einem Jungen in Novizenhabit und einem jungen Mann mit verkniffenem, alterslosem Gesicht, den Port als den Sklaven Tostig erkannte.
    Port nickte ihnen zu. Den belustigt dreinschauenden jungen Leuten war anzumerken, daß sie ihn nicht ernst nahmen, doch das störte ihn nicht. Aelfwalds Söhne Aelfric und Aelfstan – die gleichen Anfangssilben der Vornamen war ein typisch sächsischer Brauch – waren sechsundzwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt. Das Mädchen Aelfgifu war erst achtzehn. Port verneigte sich gemessen vor ihr. Er hatte nichts gegen das sorglose, eher kindliche Draufgängertum der jungen Männer, doch Aelfgifus ausgelassene Narreteien widersprachen seinen Vorstellungen von Schicklichkeit.
    Aelfwald blickte zufrieden auf sein kleines Gefolge. Er war ein echter Vertreter des sächsischen Volkes, das sich die Insel zu eigen gemacht hatte, ein unkomplizierter, ausgeglichener Mann mit einem zwar langsam, doch gründlich arbeitenden Gehirn. Er hielt nicht viel von Argumentieren oder Spekulieren, aber hatte er sich einmal in eine Idee verrannt, verteidigte er sie hartnäckig.
    Aelfwald hatte guten Grund, das Leben als angenehm zu betrachten. Er hatte Grundbesitz in verschiedenen Gegenden von Wessex, darunter schönes Waldland an der Küste. Sein ältester Sohn war verheiratet, und Aelfwald hatte ihm schon ein paar schöne Anwesen übergeben. Er hoffte, bald einen Mann für Aelfgifu zu finden. »Gott weiß, wer einen solchen Wildfang heiraten sollte«, meinte er des öfteren lächelnd zu seiner Frau.
    Nun, nach der Verhandlung, begleitete er seinen Lehnsmann persönlich zu dessen Hof, wo die Ehefrau und die beiden Söhne ihn erwarteten. Für diesen Abend hatte der Than Port und alle übrigen Vasallen zu einem Fest in seiner geräumigen Halle im Tal eingeladen. Aber zuerst mußten sie den Besuch machen, der Port so viel Kopfzerbrechen verursachte. Sie gingen miteinander

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