Sarum
engagierte Tuchmacher. Die Familie war vertrauenswürdig und beliebt. Der große, gutmütige Edward Shockley wurde Mitglied der Kaufmannszunft der neuen Stadt. 1240 war er ein angesehener Bürger, und der Shockley-Hof wurde auf der Basis von Tagelohn von einem Lehnsmann verwaltet.
Jocelin de Godefroi lebte ruhiger. Seit der schwachen Regierung Stephans waren die Zeiten seiner Familie günstig. Obwohl William von Sarisberie und sein Bruder sich in der Anarchie für die Kaiserin und gegen den König entschieden hatten, konnten sie, als Stephan sich schließlich durchsetzte, ihren Einfluß wahren, und ihrem Kronvasallen Godefroi war nichts geschehen. Sie hatten einen zweiten Besitz in Sarum erhalten, der unmittelbar vom König belehnt worden war, und nun, da der König einige geringere Edelleute als Sheriffs wählte, ging sogar das Gerücht, daß ein achtenswerter Ehrenmann wie Jocelin de Godefroi gebeten würde, diese Position einzunehmen.
Jocelin war gut gewachsen und mittelgroß. Anders als seine Vorfahren während Stephans Regierung war er glattrasiert, sein ungescheiteltes Haar hing in Fransen in die Stirn, und unterhalb der Ohren war es mit einer Brennschere sorgfältig gelockt, was seinem feinen, ebenmäßigen, scharfgeschnittenen Gesicht das Aussehen eines geistig tätigen Menschen gab. Er trug das mit Knebelknöpfen geschlossene, knöchellange Leinengewand und darüber einen mit Fuchspelz gefütterten Mantel. Seine weichen, am Knöchel geknöpften Lederschuhe waren an den Spitzen mit Silberfäden bestickt; in der Hand hielt er eine dreispitzige Filzkappe.
Am Zaumzeug seines Pferdes hingen zwei winzige Emailschilde mit seinem Wappen: ein weißer Schwan auf rotem Grund. Jocelin hatte einen klaren Kopf für Geschäfte, und bei dem heutigen Treffen ging es um eine höchst wichtige Sache, so daß auch er ganz auf jenen Mann konzentriert war, der nun endlich den Abhang heraufkam. Wie würde seine Entscheidung lauten? Dieser Mann war groß und wohlgebaut, wenn er auch etwas zur Korpulenz neigte. Als er die drei erreicht hatte, schob er seine Kappe zurück, die einen gewölbten Kopf mit beginnender Glatze und grauen Schläfen freigab. Der Mann hatte eine schmale Adlernase, einen sympathischen Mund und weit auseinanderstehende blaue Augen voller Humor und Intelligenz. Der Dreißigjährige war bereits ein erfahrener Geschäftsmann.
»Die Strömung ist stark, der Grund solide«, lächelte er. »Ihr sollt das Darlehen haben.«
Er sprach Godefroi auf französisch an. Dieser Umstand, sein wertvoller Mantel und das wunderschöne Pferd, das offenbar sein Eigentum war, das alles deutete darauf hin, daß er der herrschenden normannischen Klasse angehörte. Doch zeigte seine Kleidung etwas Auffallendes – auf seiner Brust war ein kleines doppeltes Rechteck aus weißem Tuch aufgenäht. Dieses Abzeichen, die sogenannte Tabula, symbolisierte die beiden steinernen Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten: Aaron von Wilton war Jude.
Die Juden in England gehörten dem König. Die meisten waren aus dem nördlichen Frankreich gekommen, und Wilhelm der Eroberer wie auch seine Söhne Rufus und Heinrich hatten sie ermutigt, sich in ihrem neuen Königreich niederzulassen, und wenn es ihnen auch untersagt war, Land zu besitzen oder sich in den üblichen Handel einzuschalten, genossen sie doch einen privilegierten, geschützten Status im normannischen Feudalsystem als Finanziers und Geldverleiher. Die Judengemeinde gedieh trotz örtlicher Gegendemonstrationen auch während der langen Regierungszeit Heinrichs II. im 12. Jahrhundert. Sie wurden Schatzmeister des Königs, vermehrten seine Finanzen, abgesichert durch die Einkünfte der Sheriffs aus den Grafschaften. Es wurde ihnen sogar gestattet, Land als Kronvasallen zu belehnen. Sie blieben jedoch weiterhin Eigentum des Königs. Der Besitz eines jeden Juden fiel bei seinem Tod dem König anheim. Dies war jedoch ein Privileg, das der König praktisch kaum ausübte, da es ziemlich unsinnig war, die eigenen Bankiers zu ruinieren, wenn sie andererseits nützlich sein konnten – und das waren sie in der Tat.
»Wir sind zwar von Nutzen«, sagte Aarons Vater warnend, »doch glaube nicht, daß wir deshalb wirklich sicher sind.«
Er hatte guten Grund für diese Vorsicht. Die Kreuzfahrer hatten ein allgemeines Vorurteil gegen alle geschürt, die man des Unglaubens bezichtigen konnte, und bei den Vorbereitungen für König Richards Kreuzzug hatte es in England in einigen Städten erneut antijüdische
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