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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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noch verhältnismäßig locker, die Wolle schmutzig und voller Unebenheiten. Die nächste wichtige Stufe war das Walken: Das rohe Tuch wurde in Wasserbottichen getreten, denen ein Reinigungsmittel, meist abgestandener Urin, zugesetzt wurde. Während die Männer das Tuch stampften, wobei den Bottichen ein beißender Ammoniakgeruch entströmte, ging das Tuch ein und wurde dichter. Der verbliebene Schmutz löste sich und fiel heraus.
    Nach dem Walken wurde das scharf riechende Tuch gründlich gespült. Danach, während es noch feucht war, wurde die haarige Seite mit einem Büschel aus Weberdisteln aufgerauht und mit einer Schere mit abgeflachten Enden kurzgetrimmt. Schließlich kam es zum Trocknen auf Spannrahmen. Der mühsame Walkvorgang dauerte oft zwanzig Stunden bei hohen Temperaturen. Es war harte Arbeit; je schwerer das Tuch, um so gründlicher mußte das Walken erfolgen. Bei dickem Filz etwa mußte das Tuch so stark einlaufen und gestampft werden, daß die ursprüngliche Webart nicht mehr zu erkennen war.
    In dieser Phase der Inselgeschichte bahnten sich zwei weitere wichtige Neuerungen im Wollhandel an. Die erste war das allmähliche Aufblühen der Tuchmacherei. Jahrzehnt um Jahrzehnt war in England hergestelltes Tuch auf dem Vormarsch, auch wenn das meiste Tuch immer noch aus Flandern und Italien eingeführt wurde. Die zweite Umwälzung war maschinell: die Einführung der mechanischen Walkmühle. Edward Shockley war begeistert von den Möglichkeiten dieses Apparates.
    »Siehst du«, erläuterte er Godefroi, »er arbeitet genauso wie eine Getreidemühle; der Fluß dreht das Rad, aber anstelle von Mühlsteinen klopfen zwei große Holzhämmer auf einer gezahnten Sperrstange unaufhörlich das Tuch. Diese Maschine erledigt die Arbeit von zehn Walkern. Je schwerer das Tuch, desto wirkungsvoller ist sie.« Shockley brauchte nichts als eine Landparzelle am Fluß, dort, wo ein Mühlgerinne einfach zu installieren war, und einen Hintermann, der genügend Kapital zum Bau der Mühle besaß oder jedenfalls die Sicherheiten der Geldbeschaffung garantierte. Er war natürlich deshalb zu Godefroi gekommen.
    Sie trafen die Absprache, daß Godefroi das Geld für die Mühle von Aaron leihen würde und sie auf dem neuen Besitz baute, den er als Kronvasall belehnte, wo er nach Gutdünken schalten und walten konnte, ohne die Erlaubnis eines Grundherrn einzuholen. Shockley als Unternehmer war wiederum damit einverstanden, Godefroi die Hälfte aller Einnahmen abzutreten – von jenen Leuten, die Tuch von außerhalb der Godefroischen Besitzungen brachten, und von Godefrois Lehnsleuten und Leibeigenen, die durch den Ritter als ihrem Lehnsherrn verpflichtet waren, seine Mühle zu benutzen. Auf diese Weise fügte Godefroi, der sein ausgedehntes Land als Sicherheit für das Darlehen nahm, seinem Besitz zusätzlichen Wert hinzu, und seine Lehnsleute waren indirekt verpflichtet, sein Einkommen zu vergrößern. Dies war die für die damalige Zeit typische Verbindung von Kapitalismus und Feudalismus. Der Bau der Mühle war nicht schwierig, doch erforderte er solide Stein- und Schreinerarbeit.
    »Wer übernimmt die Steinarbeiten?« fragte Aaron, als er neben Godefroi herritt.
    »Ein junger Bursche von meinem Gut«, erwiderte der Ritter. »Er arbeitet zur Zeit in der Stadt. Er scheint dafür geeignet. Sein Name ist Osmund.«
    Aaron lächelte. »Billiger als ein Meister, dem man nicht trauen kann«, bemerkte er.
    Als William atte Brigge eine halbe Stunde später den kleinen Troß mit Godefroi, Aaron von Wilton und den verhaßten Shockleys die Straße entlangkommen sah, paßte ihm das ganz und gar nicht; und als die Gruppe anhielt und Godefroi einen Händler ansprach, trottete er über die Straße und machte sich an Aaron heran. Sie konnten einander nicht leiden, doch da sie in Wilton Nachbarn waren, hielten sie sich an eine gewisse Höflichkeit.
    »Was gibt’s?« fragte William. »Sind Godefroi und die Shockleys hinter Geld her?«
    Aaron antwortete nicht.
    »Haben sie Schwierigkeiten?« erkundigte William sich lauernd. »Nicht im geringsten. Eine sehr gute Anlage, glaube ich.« Er umriß kurz den Plan für die Walkmühle. »Ich habe schon zwei andere Mühlen im Westen mitfinanziert«, fügte er gelassen hinzu. Williams Stirn umwölkte sich. Sein Gehirn stellte rasch Verbindungen her. Der Webstuhl seiner Frau, seine Schafe, die Quelle seines miserablen Tuches, befanden sich auf Godefrois Grund und Boden. Das konnte nur etwas ganz Bestimmtes

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