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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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zurückkommenden Männer hatten ihm einen Lohn von anderthalb Penny versprochen, wenn er für sie arbeitete – ein vortrefflicher Lohn, denn es mochte noch ein Jahr dauern, bis das Werk vollendet wäre.
    »Du würdest deine Arbeit hier für mehr Geld liegen- und stehenlassen, Osmund. Du bist noch jung. Doch die Liebe zum Geld ist Habgier, und das ist eine Sünde.« Er hielt inne und starrte den Jungen mit seinen schrecklichen Augen an. Dann fügte er etwas freundlicher hinzu: »Du schneidest den Stein gut. Man sagt mir, du schnitzt auch in Holz?« Osmund nickte. Er hatte eine schöne Tür für Godefrois Haus in Avonsford geschnitzt und wußte, daß der Priester sie gesehen hatte. Die nun folgenden Worte des Kanonikus überraschten ihn. »Würdest du gern in der Kathedrale arbeiten?« Osmund starrte Portehors an, er konnte es kaum fassen. Mit den Steinmetzen in der Kathedrale arbeiten? Sein Traum! Der Priester betrachtete ihn lauernd.
    »Sie bezahlen dort einen und einen viertel Penny pro Tag«, sagte er sehr ruhig, »mehr nicht.« Nach kurzer Pause fuhr er fort: »Du könntest an Michaeli anfangen, wenn du ordentlich an den Abflußrinnen arbeitest. Möchtest du?«
    »O ja!« Das kam fast flehend heraus.
    »Gut. Wenn du natürlich für die Shockleys und ihre Freunde arbeitest, kannst du nicht in der Kathedrale arbeiten, niemals.« Osmund wurde blaß, aber er schwieg.
    Stephen Portehors hatte Osmunds Tür gesehen und vermutete, daß der Junge Talent hatte.
    In diesem Augenblick kamen die Shockleys und Godefroi die Straße entlanggeritten, und der Kanonikus sah ihnen entgegen.
    William atte Brigge machte den schlimmsten Tag seines Lebens durch. Er war von Natur aus nachtragend, doch heute hatte er Grund für seine Verbitterung, denn der ehrenwerte Bischof Bingham von Salisbury war im Begriff, ihn zu ruinieren.
    Seit den Zeiten König Alfreds und auch davor war die Stadt Wilton die Hauptstadt der Grafschaft gewesen. Der Sheriff hielt dort Gericht, und es gab auch eine Münzstätte aus der Zeit der Sachsen, doch vor allem gab es einen blühenden Markt, genau am Zusammenfluß zweier vielbefahrener Flüsse. Da war zwar auch ein kleiner Markt am alten Kastell auf dem SarumHügel, doch durch die abseitige Lage und den geringeren Rang konnte er dem Geschäft der alten sächsischen Stadt im Westtal nie ernstlich schaden. Als aber ein Vierteljahrhundert davor Bischof Poore seinen neuen Marktflecken im Tal zu erbauen begann, bekamen es die Bürger und Händler Wiltons mit der Angst. Bald wurde dem Bischof das Recht zugestanden, einen Jahrmarkt und einen Wochenmarkt abzuhalten. Die Urkunde gab den Freien wichtige Handelskonzessionen und Steuererlasse. Schlimmer noch: Die königliche Jagdhütte im Wald von Clarendon lag nur zwei Meilen östlich der neuen Bischofsstadt, und König Heinrich, der gern dort jagte, hatte eine altbekannte Passion für den wachsenden Kirchenbau.
    »Die neue Stadt wird uns das ganze Geld wegschnappen«, murrten die Wiltoner Bürger. »Der König hat kein Interesse an uns.« Damit hatten sie recht, doch anfangs gab es immerhin einen ausgleichenden Faktor. Durch den sich ausweitenden Handel und den zunehmenden Verkehr auf den Straßen kamen viele Händler von Süden und Westen in die neue Siedlung und konnten das Flüssenetz nur über die Brücke bei Wilton überqueren. Also hatten die Wiltoner Händler ihren Nutzen von dem Verkehr. Nun aber, im Jahre 1244, ließ Bischof Bingham seine eigene Brücke südlich der Kathedrale erbauen. Wenn die einreisenden Händler diesen Teil des Flüssenetzes bei Ayleswade unter Entrichtung eines geringen Zolls überquerten, gelangten sie gar nicht erst in die Nähe von Wilton, und die ältere Stadt war plötzlich vom Haupthandelsweg abgeschnitten.
    Das war aber noch nicht alles. Seit ewigen Zeiten hatte die alte Burg von Wilton zweimal wöchentlich Markt auf ihrem kleinen Platz abgehalten. Dem Bischof hatte man nur einen Tag zugestanden. Auf dem ausgedehnten Areal des Marktplatzes im neuen Salisbury jedoch trieben die Kaufleute fast an jedem Wochentag Handel ohne Lizenz, und niemand hinderte sie daran. Trotz häufiger Proteste der Wiltoner Bürger vor dem König drohte die Neugründung ihnen das Geschäft ganz zu verderben. Williams Familie hatte seit der fehlgeschlagenen Klage ein Jahrhundert zuvor wenig Erfolg gehabt. Er trug zwar den gleichen Namen wie sein Urgroßvater, der so zwecklos die Bauern von Shockley herausgefordert hatte, aber er war kein Gerber, sondern ein

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