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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Tumulte gegeben, die in der schrecklichen Geschichte in York ihren Höhepunkt fanden, als hundertfünfzig Juden, die im Kastell Schutz gesucht hatten und dort eingeschlossen wurden, sich selbst töteten, um nicht ein schlimmeres Schicksal durch den bewaffneten Pöbel zu erleiden. Doch Richard machte dieser Sache rasch ein Ende, und die jüdische Gemeinde konnte sich unter dem Schutz des Königs einigermaßen sicher fühlen.
    Aarons Familie war ein Jahrhundert zuvor nach Wilton gekommen, und Aaron kannte Godefroi und Shockley gut. Sein Vater hatte Edward Shockley ein kleines Darlehen gegeben, als er sein erstes Geschäft im neuen Salisbury aufbaute. Es war nur natürlich, daß die beiden Familien in dieser neuen gewichtigen Unternehmung ihn um Hilfe angingen. Aaron wandte sich zunächst an Shockley. »Eine Frage: Du hast bereits einen Hof und deine Weber in der Stadt. Wer soll dieses neue Unternehmen täglich überwachen?« Edward deutete auf Peter. »Mein Sohn.«
    Aarons blaue Augen betrachteten Peter Shockley sehr genau. Er hatte den jungen Mann gern, den er seit seiner Kindheit kannte. Dieser hatte genügend Stehvermögen, doch spürte er etwas Impulsives in ihm, was ihm zu denken gab.
    »Nun gut. Aber er ist jung«, sagte Aaron. »Du mußt ihn im Auge haben.« Er ging auf sein Pferd zu.
    »Aaron!« Edward Shockley hielt ihn zurück. »Du hast noch nicht…« Er hielt unsicher inne. »… über den Zinssatz gesprochen.« Der Jude lächelte. »Habe ich das vergessen? Wie nachlässig von mir! Sagen wir, das Übliche?«
    Die beiden Männer atmeten hörbar auf. Das war besser, als sie zu hoffen gewagt hatten.
    Aaron hatte seit Jahren mit den Shockleys und Godefrois Geschäfte gemacht. Die übliche Rate waren vergleichsweise bescheidene fünfundzwanzig Prozent.
    Aaron und Godefroi bestiegen ihre Pferde, Shockley und sein Sohn den Wagen. Da sie alle etwas in der neuen Stadt zu erledigen hatten, machten sie sich ohne Hast auf den Weg durch das grüne Avon-Tal. Währenddessen flüsterte Edward Shockley seinem Sohn zu: »Wir fangen sofort an zu bauen.« Und er sagte, wie schon oft vorher: »Mit der Mühle werden wir unser Glück machen.«
    Peter nickte. Es sollte ein großartiges Unternehmen werden. Er würde es leiten, und dann wollte er ganz bestimmt Alicia heiraten. Er lächelte fröhlich bei diesem Gedanken. Le Portier konnte einen jungen Mann mit einer Mühle schwerlich zurückweisen. Die Mühle, in die Godefroi und die Shockleys Geld investierten, hatte nichts mit Getreide zu tun. Dort sollte Tuch hergestellt werden. Diese Neuerung wurde zum Symbol der ganzen Ära. Das Verfahren der Tuchherstellung hatte sich seit den Anfängen nur wenig verändert. Zuerst wurden die Schafe geschoren, und die Wolle wurde gesammelt, dann gekämmt oder mit einer Distel kardätscht, um die Fasern zu glätten und zu öffnen. Darauf wurde sie gewaschen und getrocknet, um das überflüssige Fett zu entfernen. Als nächstes wurde die Rohwolle gesponnen – mit einer Spindel zu Garn gezogen und gedreht. Diese langwierige Prozedur wurde mit der Hand erledigt, denn das Spinnrad war noch nicht erfunden. Erst dann konnte das Weben beginnen.
    Die Webstühle waren in den vorausgegangenen zweitausend Jahren äußerst einfach gewesen: ein hoher Querstock, über den lange Garnstränge, die Kettfäden, gehängt und beschwert wurden. Dann wurden kürzere Stränge, die Schußfäden, eingezogen und mit einem Spannbalken zusammengeschoben. Diese einfache Sache, das Einführen des Schußfadens nach einem sorgfältig aufgezeichneten Muster, wurde Tausende von Malen mit der Hand vollzogen, und langsam entstand, Zentimeter um Zentimeter, das rohe Tuch auf dem Webstuhl.
    So ging es fort, bis das Ende der langen Kettfäden und damit auch das Ende des Stückes Tuch erreicht war.
    Das war der aufrecht stehende Webstuhl. Später kam ein viel besserer Apparat in Gebrauch. Hier wurden die Kettfäden auf einem horizontalen Rahmen an Ort und Stelle gehalten und um einen Zangbaum gewunden, so daß ein beliebig langes Stück Tuch gewebt werden konnte. Außerdem ließ sich das Tuch in breiten Bahnen weben, indem zwei Leute einander gegenüber zu beiden Seiten des Webstuhls saßen und den Schußfaden zwischen sich hin und her gehen ließen. Das war der doppelte horizontale Webstuhl, der das mittelalterliche Textilgeschäft revolutionierte, und ebendiese Webstühle besaß Shockley.
    Allerdings war das auf diese Weise hergestellte Tuch noch nicht verwendbar. Das Gewebe war

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