Sarum
einander schon von klein auf. Wie konnten ein paar Worte von ihr ihn immer noch so erregen? Er würde sich bewähren, und dann, in ein oder zwei Jahren, sobald er die Mühle zum Erfolg geführt hätte, würde er sie heiraten. Diese Aussicht war ein zwar geheimer, doch fester Punkt in seiner Vorstellungswelt, seit er sich erinnern konnte, und als er die Sache näher kommen sah, fühlte er eine warme Vorfreude. In einem Jahr spreche ich mit ihrem Vater, nahm er sich vor. Sie war eine hübsche kleine Person mit Sommersprossen und rötlichbraunem, kurzgeschnittenem Haar gewesen.
Als Junge konnte er sie beim Laufen zwar überrunden, doch leichtfüßig, wie sie war, blieb sie nie weit hinter ihm; und wenn die Kinder der Gegend in den großen Weiher bei Wilton zum Schwimmen gingen, war sie wie ein Fisch im Wasser, und nicht einmal die Jungen konnten sie einholen. Ihr einziger Bruder Walter war viele Jahre älter, und so wurde sie wie ein zweiter Sohn für den Vater, dessen ruhige Überlegenheit sie bewunderte. »Ich bin kein Junge«, sagte sie zu Peter, als sie sieben Jahre alt war, »aber ich bin genauso gut wie ein Junge.«
Wie lange das zurücklag! Walter war nun ein erfolgreicher königlicher Beamter in Winchester, wo er durch den Einfluß seines Vaters den Posten des Aulnagers erhalten hatte. In den beiden letzten Jahren hatte Peter Alicia erwachsen werden und heranreifen sehen, so daß sie nicht länger seine Jugendliebe war, die neben ihm herlief, sondern eine andere, ihm nicht mehr ganz vertraute Frau, um die ein Hauch von Geheimnis und Erregung war, was ihn bei dem Gedanken an sie erzittern ließ. Vor allem aber liebte er ihre Augen, die anders waren als alle Augen, die er kannte. Einmal schienen sie haselnußbraun mit grünblauen Tupfen um die Iris, gleich darauf, wenn das Licht oder vielleicht auch ihre Stimmung wechselten, waren sie überraschend veilchenblau. Das war ein Erbteil ihrer Mutter.
»Gehen wir auf den Markt«, schlug sie vor.
Der große unregelmäßige Platz war von lärmender Geschäftigkeit erfüllt.
Auf der Westseite stand die behäbige neue Kirche des heiligen Thomas Becket, die Pfarrkirche der Geschäftsgegend; doch die Stadt wuchs so rasch, daß bald eine weitere Kirche notwendig werden würde. Neben der Kirche war der Käsemarkt. Gegenüber befanden sich Viehgehege. In der Mitte standen – als Mahnung an die Macht des Bischofs über die Verbrecher – die Fußblöcke, und an der Südseite reihten sich hintereinander die Marktstände.
Da gab es die Wagner und daneben die Flaschenzeile, wo nicht nur mit Flaschen, sondern auch mit Steingut und Zinngerät lebhaft gehandelt wurde. Da gab es die Fischzeile, die Metallwarenzeile, die Kochzeile und die Schuhmacherzeile, letztere eine kunterbunte Ansammlung von Schuhmachern und Flickschustern, die hinter ihren Tischen nähten und hämmerten. Da waren die Metzger, Bäcker, Tuchhändler, Schneider, Silberschmiede, Zimmerleute; dort wurde Leder verarbeitet, hier wurden Blasebälge, Handschuhe, Hüte, Garne hergestellt, Kaninchen, Gewürze, Obst und Gemüse, Knoblauch und Geflügel verkauft. Da gab es die Küfer mit ihren aufeinandergetürmten Fässern, Kohlenhändler, Salzhändler, Hafermehlverkäufer, Schweinehändler. Bei einem Kreuz an der Südostecke hielten die äußerst wichtigen Wollhändler ihren eigenen Markt ab. Der Platz lebte von der farbenfrohen Fülle der verschiedenen Handelszweige, die die mittelalterliche Welt ausmachten. Die beiden jungen Leute wanderten eine Stunde lang zwischen den leuchtendbunten Ständen umher.
Zwischendurch huschte Peter einmal weg und kaufte etwas, das ihm ins Auge gefallen war, und Alicia tat so, als bemerkte sie nichts. Schließlich gingen sie nach Norden und an der Blauer-Eber-Zeile vorbei. Der Bischof hatte seine Stadt in einer Art Schachbrettmuster angelegt, und jeder Block war in gleich große Grundstücke aufgeteilt. Ihre Größe betrug drei Ruten, das waren etwa fünfzehn Meter Straßenfront und sieben Ruten nach hinten, wofür jeder Pächter einen Schilling Grundrente pro Jahr bezahlte und wo er nach Gutdünken bauen konnte. Die meisten Leute errichteten Häuser mit Lagerräumen oder Werkstätten auf Straßenniveau. Einige – die Reichen – bauten reine Privathäuser. Südlich des Marktes lag das NeueStraßen-Geviert, nördlich das Blauer-Eber-Geviert und einige andere, im Zuge der Stadterweiterung noch in Planung.
Nach dem Blauer-Eber-Geviert an der zum alten Kastell führenden Straße, doch
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