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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Beschimpfung störte ihn nicht weiter, doch in seinen Augen flammte Ärger auf, den er nicht unterdrücken konnte, und auch dem scharfen Blick des Priesters entging er nicht. Doch dieser war so frei und wandte sich mit den gegen Aaron gerichteten Beleidigungen jetzt an die Menge.
    »Seht, wie die gottlosen Juden uns unseren Arbeiter wegnehmen wollen und Gottes Werk zerstören!« Aaron von Wilton hatte einen Fehler, vor dem ihn sein Vater schon gewarnt hatte: »Streite dich nie mit einem Narren, du gewinnst ohnehin.« Obwohl er gütig und liebevoll seiner Familie gegenüber und übertrieben ehrlich in seinen Geschäften mit Männern wie Godefroi und Shockley war, hatte er eine geistige Arroganz, die ihn, wenn er sich einem Dummkopf gegenübersah, starrsinnig reagieren ließ.
    »Und doch tat die jüdische Gemeinde in York, bevor sie hingemetzelt wurde, Gottes Werk«, bemerkte er trocken. »Sie finanzierte den Bau von neun Zisterzienserklöstern.«
    Das entsprach der Wahrheit. Die großen Klöster im Norden, die Schafzucht betrieben, hatten durch erfolgreiche Geschäfte mit den Juden ihre großzügigen Bauten finanziert. Das jedoch war zwei Generationen früher gewesen, als die Beziehungen noch besser waren. Portehors warf Aaron wütende Blicke zu. »Die Kirche braucht Euer Geld nicht«, widersprach er.
    »Obwohl das vierte römische Laterankonzil uns gebeten hat, der Kirche den Zehnten zu zahlen«, argumentierte Aaron gelassen weiter.
    »Was Ihr abgelehnt habt«, gab Portehors zurück. Aaron lächelte grimmig ob dieser Unlogik. »Es stimmt, wir hatten schon genug beigesteuert«, erwiderte er leise.
    Der Kanonikus lief vor Ärger rot an. Er wußte, daß Godefroi und die Shockleys, die schweigend dabeistanden, sich an seinem Unbehagen weideten. »Der König wird sich in Kürze mit Euch befassen.«
    »Der König nahm letztes Jahr in Westminster unser Gold mit eigener Hand.«
    »Damit habe ich nichts zu tun!« Portehors schlug jetzt eine andere Richtung ein. »Ich bin mit dem Bau eines Gotteshauses befaßt.« Aaron nickte. »Wir ebenso, Kanonikus Portehors. In ebendiesem Augenblick sucht der König ein beträchtliches Darlehen von der jüdischen Gemeinde zum Wiederaufbau seiner Westminsterabtei zu bekommen.«
    Portehors blieb der Mund offenstehen. Das hatte er nicht gewußt. Aaron wandte angewidert sein Pferd und ritt davon. Portehors hatte ein triumphierendes Funkeln in seinen Augen, als er ihn dabei beobachtete. Er hatte vielleicht in der Debatte den kürzeren gezogen, doch hatte er den Juden vertrieben. In diesem Siegesbewußtsein gewann er seine Fassung zurück und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Godefroi und Edward Shockley zu.
    »Wenn Ihr diesen jungen Mann von Gottes Werk abzieht, damit er mit denen gemeinsame Sache macht, die den Herrn gekreuzigt haben, seid Ihr reif für die Exkommunizierung«, drohte er. Diese Drohung ließ sich wahrscheinlich nicht durchführen. Es gab keinen legalen Grund dafür. Doch Godefroi sah, daß der Kanonikus entschlossen war, einen Fall daraus zu machen, und er, Godefroi, hatte keine Lust auf einen Streit mit den kirchlichen Behörden. Also beschloß er nachzugeben. Er fand noch genügend andere Steinmetzen. »Wie Ihr wollt.« Er zuckte die Achseln, nickte den Shockleys kurz zu und ritt von dannen.
    Und so geschah es im Jahr des Herrn 1244, daß Osmund, der Steinhauer, von Kanonikus Portehors vor den beiden Hauptsünden der Unmäßigkeit und der Trägheit bewahrt und bei einem Taglohn von einem und einem viertel Penny der Arbeit an der neuen Kathedrale Unserer Lieben Frau im neuen Salisbury zugeführt wurde.
    An jenem Nachmittag spazierte Peter Shockley mit Alicia Le Portier durch die Stadt und berichtete ihr die Sache mit der Mühle. Er warf sein helles Haar zurück, und seine blauen Augen glänzten, als er stolz erzählte: »Wir haben die Mühle bekommen, und mein Vater sagt, daß ich sie leiten soll.«
    Er war ehrgeizig, und sie wußte das. Seit ihrer gemeinsamen Kindheit war sie von diesem gesunden Ehrgeiz fasziniert. Ihr Gespräch verlief in altbekannten angenehmen Bahnen.
    »Ich hoffe, du eignest dich dafür.« Sie mußte ihn einfach ein bißchen dämpfen; es gefiel ihr, wenn er sich zur Wehr setzte. Er errötete. »Natürlich, und das ist erst der Anfang.« Sie sah zu Boden, denn sie wollte nicht, daß er ihr Lächeln bemerkte. »Vielleicht schaffst du’s«, äußerte sie mit gespieltem Zweifel. »Ich wäre enttäuscht von dir, wenn’s nicht so wäre.«
    Sie kannten

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