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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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zu bleiben.
    »Ich habe damals den Zinssatz festgelegt«, antwortete Aaron souverän, »und dabei bleibt es.«
    Da ging Jocelin de Godefroi in sein Schrankzimmer, wo er seine wertvollste Habe aufbewahrte, und kam mit einem kleinen, in Leder gebundenen Buch zurück, das er in Aarons Hände legte. Es war Geoffrey de Monmouth’s ins Französische übersetzte Geschichte, die seinem Urgroßvater gehört hatte.
    »Zur Erinnerung an diesen Tag«, sagte er feierlich und war froh, daß der Jude endlich einmal vor Freude errötete.
    »Und nun«, sagte Godefroi am nächsten Tag gutgelaunt zu Edward Shockley, »soll die Arbeit an unserer Mühle beginnen.«
    1248 Wann sein Mentor Bartholomew sich eigentlich gegen ihn gewandt hatte, vermochte Osmund, der Steinhauer, nicht mit Gewißheit zu sagen. Aber wahrscheinlich war es an jenem Tag gewesen, etwa ein Jahr nach Beginn seiner Lehrzeit, als er die kleine Holzfigur eines Schwans mit in die SteinmetzUnterkunft brachte, die er für Jocelin de Godefroi schnitzte.
    Sie war aus Eichenholz und für eine Nische in der großen beschlagenen Tür des Herrenhauses in Avonsford vorgesehen. Osmund hatte schon einige Tage daran gearbeitet und war stolz darauf, und bei dem Licht der tropfenden Kerzen legte er, während die Steinmetzen miteinander plauderten, letzte Hand daran. Die Steinmetzen mochten den ruhigen, bescheidenen Osmund gern. Einer von ihnen bemerkte die Schnitzerei, begutachtete sie und rief seine Kameraden herbei. Sie waren höchst angetan von einer solchen Begabung.
    »Er kann wirklich schnitzen«, fanden sie übereinstimmend. »Der Bursche hat die Gabe. Wir lehren dich, wie man mit Stein umgeht«, versprachen sie ihm.
    Von jenem Abend an änderte sich sein Leben. Die älteren Steinmetzen unterhielten sich gern mit ihm. Selbst Robert, der Bevollmächtigte des großen Nicholas von Ely, prüfte gelegentlich Osmunds Arbeit und sprach ein paar Worte mit ihm. Oft rief ihn auch ein älterer Steinmetz, wenn es sich um eine komplizierte Arbeit handelte, und erklärte ihm den Gang, weihte ihn in die Verfahren und Geheimnisse der Steinmetzkunst ein.
    Osmund wurde mit dem weitgespannten Netz der Freundschaft und Kameradschaft vertraut, das übers ganze Land hin die Steinmetzen im Mittelalter verband.
    Es war nicht verwunderlich, daß Bartholomew ihn kühl behandelte. Er war ein zuverlässiger, hart arbeitender Bursche mit wenig Talent, doch immerhin genügend Phantasie, um zu bemerken, daß sein Lehrling ihm überlegen war.
    Er hatte an allem, was Osmund tat, etwas auszusetzen. Das war allerdings nicht so einfach; als er sich bei den älteren Steinmetzen über die angebliche Unfähigkeit des kleinen Kerls mit dem großen runden Kopf beschwerte, sah er ihren Blicken an, daß eher ihre Achtung für ihn als für Osmund schwand.
    Bald darauf gab er es auf, doch unterstützte er seinen Schützling nur unzureichend, und es verdroß ihn, daß der stille Junge seine Anleitung ohnehin immer weniger brauchte.
    In den folgenden drei Monaten richtete er das Wort kaum noch an Osmund, und um den nächsten Michaelitag hatte er sogar angefangen, dem jungen Mann hinterrücks Hindernisse in den Weg zu legen; einmal hinterließ er einen Haufen Kalkstaub in der Nähe von Osmunds Arbeitsplatz, daß ihm der Staub ins Gesicht flog und ihn die Augen schmerzten; oder er räumte Steine beiseite, die Osmund gerade in Arbeit hatte. Zuerst nahm dieser die kleinen Angriffe gar nicht zur Kenntnis, doch allmählich stellte er eine gewisse Methode dabei fest. Er bemerkte außerdem, daß jedesmal, wenn ihm ein Mißgeschick passierte, Bartholomew kurz darauf wie zufällig vorbeikam, um zu sehen, ob es mit der Arbeit vorwärtsging. Verschiedentlich fühlte er den Blick des jungen Mannes mit unverhohlener Abneigung auf sich ruhen, obwohl er nichts getan hatte, was ihn beleidigen konnte.
    Doch es kümmerte Osmund recht wenig. Mit den Lehrjahren war er in eine Periode der Zeitlosigkeit eingetreten. Er beobachtete natürlich den Ablauf der Jahreszeiten. Er war sich bewußt, daß er älter, stärker und rundlicher wurde. Doch er maß die Zeit nicht mehr so wie früher. Jetzt maß er sie an der Vervollkommnung seines Könnens. Das war das Jahr, in dem ich das Steinschneiden endlich beherrschte, erinnerte er sich, oder: Das war das Jahr, als ich lernte, Steine auf der Drehbank zu bearbeiten.
    Er liebte die langen friedvollen Tage, besonders im Sommer, wenn die Steinmetzen in der Morgendämmerung aufstanden, bis Sonnenuntergang

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