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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hatte das Fenster zerbrochen und den Aulnager beleidigt. William war gespannt, was noch kommen würde, und folgte ihm. Auf dem Marktplatz stieß Peter zornig mit dem Fuß gegen die Tresen. William sah, wie er einen Stein aufhob und ihn quer über den leeren Platz hüpfen ließ, wobei er einen Wutschrei ausstieß. Diese Chance wollte William sich nicht entgehen lassen. Er entdeckte einen Holzpfahl, der als Stütze für einen Verkaufsstand gedient hatte. Damit lief er durch die Dunkelheit, schleuderte das Holz durch ein Fenster der St.Thomas-Kirche und rannte zum Haus des bischöflichen Schergen.
    William sah höchst befriedigt, wie ein paar Minuten später der Scherge seine Schritte auf den Marktplatz lenkte und den jungen Mann verhaftete, der immer noch bei den Ständen umherwanderte. »Ich habe gesehen, wie er einen Stein gegen ein Fenster von Le Portiers Haus geworfen hat«, versicherte William dem Beamten, »und dann kam er her und zerbrach auch noch das Kirchenfenster. Fragt nur in der Castle Street, wenn Ihr Zeugen braucht.«
    »Das werde ich«, versicherte der Scherge.
    Zehn Tage später wurde Peter Shockley vors Gericht des Bischofs gebracht, angeklagt und sogleich für schuldig befunden, auf dem Marktplatz des Bischofs Schaden angerichtet und ein Kirchenfenster zerbrochen zu haben. Er wurde zu einem Morgen im Block verurteilt. Die Strafe im Block konnte ganz unterschiedlich ablaufen: Mancher stand einen ganzen Tag darin, ohne eine Schramme davonzutragen; wenn aber jemand unbeliebt war, wurde er mit allen möglichen Gegenständen beworfen. Da Kopf und Hände in das schwere Holzjoch eingespannt waren, konnte er sich nicht wehren und trug unter Umständen allerlei Striemen und blaue Flecken davon. Vor allem aber war es eine unwürdige Angelegenheit, und Edward Shockley war über das Urteil höchst erbost.
    »Du hast die Familie in Verruf gebracht«, tobte er. »Nach alldem wirst du zwar in der Walkmühle arbeiten, aber, bei Gott, nicht als ihr Leiter.« Am nächsten Morgen Wurde Peter Shockley von zwei Männern des Schergen abgeführt und in den Block gesteckt. Es kam ihm so vor, als läge sein Leben, das sich vor zwei Monaten so vielversprechend gezeigt hatte, in Scherben. Ich habe die Mühle verloren, dachte er traurig, und ich habe Alicia verloren. Während er sich Alicia in den Armen des Ritters aus Winchester vorstellte, füllten sich seine Augen mit Tränen. Ein Straßenbengel warf – nicht aus Bosheit, sondern aus reinem Übermut – mit einem Apfel nach ihm, der ihm die Lippe blutig riß. Er hatte sich noch niemals so verlassen gefühlt.
    Doch dieser Morgen im Block bescherte ihm unverhofft einen Freund. Im Lauf des Vormittags bemerkte er plötzlich eine stille Gestalt neben sich; wenn er auch wegen der Enge des Jochs nicht in der Lage war, seinen Kopf zu drehen, sah er doch ein Paar Füße in rauhen Sandalen und den Saum eines nicht ganz sauberen grauen Gewandes. Diese Tatsachen deuteten auf einen Franziskanermönch hin.
    Die Angehörigen zweier Orden waren für Peter Shockley ein gewohnter Anblick in Sarum: die Dominikaner, die schwarzgekleideten Angehörigen des Prediger- und Intellektuellenordens, die ihr erstes Kloster bei Wilton gründeten, und die Franziskaner, die Brüder in grauer Kutte, Nachfolger eines der jüngsten Heiligen der Kirche, Franz von Assisi. Anders als die meisten Priester oder Mönche hatten die grauen Brüder ihr Leben äußerster Einfachheit geweiht. Sie lebten und arbeiteten im allgemeinen unter den Armen und hatten sich die Achtung der Bevölkerung von Salisbury dadurch erworben, daß sie sich den niedersten Aufgaben widmeten. Als die erste Gruppe fünfzehn Jahre zuvor, von Italien kommend, in Sarum eingetroffen war, hatte der Bischof ihnen ein bescheidenes Haus in der St. Anne Street außerhalb des Kirchensprengels zugewiesen. Der Orden stand auch in der Gunst des Königs. Peter hatte zwar viel von diesen Brüdern gehört, doch hatte er nie mit einem von ihnen gesprochen und starrte die Gestalt neugierig an, die jetzt vor ihn hintrat.
    Es war ein junger Mann, kaum älter als er selbst, mit dunklem Haar und glattrasiertem bläßlichem Gesicht.
    »Was bringt dich in den Block?« Er sprach mit stark italienischem Akzent.
    »Meine Sünden«, erwiderte Peter düster. »Und ein Mädchen«, fügte er hinzu.
    »Ich bin Bruder Giovanni«, erwiderte der andere darauf, und unaufgefordert machte er sich’s auf dem Boden bequem. »Laß mich deine Geschichte hören.«
    Die Aufforderung

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