Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Sache auch war, die Chorherren der St.-Pauls-Kathedrale beliebten sie zu glauben, und der Leichnam wurde neben dem Hochaltar beigesetzt. Der König verurteilte die Juden zu einem Bußgeld, das dreimal höher war als jede bis dahin erhobene Abgabe: sechzigtausend alte englische Mark, was übrigens, da die Mark zwei Drittel eines Pfundes war, vierzigtausend englischen Pfund entsprach.
    Gegen Jahresende sagte Aaron zu Godefroi und Edward Shockley: »Ich weiß nicht, ob ich Euch das Darlehen weiterhin zusagen kann. Ich bin praktisch ruiniert.«
    Eine Woche lang hörten sie nichts Neues. Es war allgemein bekannt, daß die jüdischen Gemeinden auf der ganzen Insel alles Erdenkliche unternahmen, um diese unsinnige Summe aufzubringen. Eine Woche später vereinbarten Godefroi und die Shockleys eine Zusammenkunft. Diese Konferenz sollte Peter sein ganzes Leben lang nicht vergessen. Der Ritter äußerte dabei höchst überraschende Ansichten, die Peters politische Erziehung in die Wege leiteten.
    Eines stand fest: Ohne das Darlehen konnte keine der beiden Familien die Mühle finanzieren.
    »Ich müßte den Shockley-Hof verkaufen«, meinte Edward. »Und ich würde das Geld gern in bar vorstrecken«, erklärte Godefroi, »aber im Augenblick…« Er zeigte seine leeren Hände. Seine Vergnügungen, seine Leidenschaft für Turniere, der schöne neue Seitenflügel mit den schlanken Spitzbogenfenstern an der massiven normannischen Halle – all das hatte seinen Preis.
    »Es ist zwar genügend Besitz vorhanden«, setzte Jocelin seinem zehnjährigen Sohn Hugh auseinander, der eines Tages ein beträchtliches Erbe antreten würde, »aber kein Bargeld.« In dieser Hinsicht war er ein typischer Vertreter des Adels.
    Die beiden Männer erwogen alle Möglichkeiten, sogar die, sich an die Händler aus Cahors zu wenden. »Aber die ziehen uns das letzte Hemd aus«, klagte Shockley. Und dann kam es bei Godefroi plötzlich zu einem Ausbruch, der den jungen Peter aufs höchste überraschte. »Das alles ist die Schuld des Königs!« tobte er. »Der König mit seinen verdammten ausländischen Programmen und seiner verdammten ausländischen Familie. Er treibt uns noch alle in den Ruin.« In seiner Arglosigkeit hatte Peter immer angenommen, der Ritter sei ein ergebener Anhänger des Königs; doch Godefrois nächsten Worte, wenn sie auch im Zorn gesprochen waren, ließen Peters Mund vor Staunen stumm sein.
    »Ich sage Euch, Shockley, dieser Mann ist ein Kind. Die einzig gute Zeit war die, als er wirklich noch ein Kind war und andere für ihn regierten. Wir sind Engländer. Wir brauchen seine Ausländer nicht und seine Extravaganzen nicht. Und ehrlich gesagt, manchmal glaube ich, wir brauchen ihn höchstens als Strohmann.«
    Sosehr Peter auch über ein derartiges Sakrileg gegen den frommen Monarchen erstaunt war – Godefrois Ansicht wurde von einem Großteil des niederen Adels und des Hochadels geteilt. Der König hatte vielleicht sein verlorenes Land noch nicht vergessen, die meisten seiner Vasallen dagegen schon. Die Magnaten waren den ausländischen Günstlingen nicht gewogen, die am Hofe Schlüsselpositionen innehatten. Die Ritter waren gegen das Schildgeld, das der König den Magnaten auferlegte, die es wiederum von den Rittern forderten. Wenn der König gelegentlich Geldforderungen stellte, die die Barone für unangemessen hielten, erinnerten sie ihn an die Magna Charta seines Vaters, die seine Macht begrenzte. Wenn Godefroi es Shockley auch nicht erzählte – er hatte gerüchtweise vernommen, daß mehrere Magnaten planten, dem König einen Viererrat aufzuzwingen, der das Reich in seinem Namen erfolgreich verwalten sollte.
    Dies waren hitzige Ideen für den Sohn eines Provinzkaufmanns; er wußte nicht, was er davon halten sollte. Eines aber wußte er: Der König hatte zuviel Geld ausgegeben und damit das Geschäft seiner Familie geschädigt, und irgendwann mußte auf jeden Fall etwas unternommen werden. Das war die wichtigste politische Lektion, die Peter je lernte. Zwei Monate zogen ins Land. Die Eiche für das Räderwerk der Mühle lag gefällt am Boden. Auf dem leeren Bauplatz häuften sich zwei Wagenladungen Steine. Endlich rief Aaron von Wilton zu einer Zusammenkunft.
    »Meine Herren«, sagte er, »ich habe das Geld zusammen.« Er hielt inne, und Edward Shockley bemerkte neue Sorgenfalten um Aarons Augen. »Und der Zinssatz?« Godefroi wußte sehr wohl, daß sich die Juden gezwungen sehen würden, ihre Zinssätze zu erhöhen, um im Geschäft

Weitere Kostenlose Bücher