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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Weile zuvor bereitet, und wieder waren es König Heinrichs Verbindungen zum Ausland, die zu Schwierigkeiten führten. Der Papst lockte ihn in eine absolute Katastrophe.
    Der Preis war das reiche südliche Königreich Sizilien, das der Papst in einer der häufig wechselnden Allianzen jener Zeit Heinrich für seinen Sohn Edmund anbot, falls er einen Heiligen Krieg dort führen würde. Sizilien war fern, und die Dynastie der Hohenstaufen, die der Papst auf diese Weise verdrängen wollte, war wohlgerüstet. Heinrichs Bruder, Richard von Cornwall, ein viel weiserer Staatsmann als der König selbst, warnte vor diesem absurden Plan. Doch Heinrich war wie üblich verblendet, und als kurz darauf der deutsche Thron Richard von Cornwall angeboten wurde, begann Heinrich von einer glänzenden Allianz zwischen ihm, König Ludwig dem Heiligen von Frankreich und seinem Bruder, dem neuen deutschen Monarchen, zu träumen – eine christliche Konföderation, wie Europa sie seit Jahrhunderten nicht erlebt hatte.
    Mit der gleichen Begeisterung, mit der er etwa ein wundervolles neues Hofzeremoniell ersonnen hätte, stürzte er sich in eine Reihe phantastischer diplomatischer Manöver. Er schloß Frieden mit Ludwig, indem er endlich auf alle seit Jahren in Frankreich bestehenden Ansprüche verzichtete; er heiratete sogar aus gutem Grund die Tochter des Kreuzritterkönigs von Kastilien, und er machte dem Papst ungeheuerliche Zusagen, seine Unterstützung in Sizilien betreffend – Zusagen verbunden mit Geldsummen, die er niemals würde aufbringen können. Das war typisch für seine Projekte. Gerade das fürchtete jeder kluge Magnat und Edelmann in England am meisten: eine Festlegung im Ausland mit nahezu unbegrenztem Budget und ohne die geringste Aussicht auf Erfolg.
    »Wieder einmal so ein irrsinniges Wagnis«, ereiferte Godefroi sich seiner Familie gegenüber. »Die Waliser machen Schwierigkeiten, das Königreich wird schlecht verwaltet, der König steckt bereits bis zum Hals in Schulden – es gäbe, weiß Gott, hier genügend für ihn zu tun.«
    Bald verschlechterte sich die Situation weiter. Heinrich hatte jetzt dem Papst derart unrealistische Zusagen hinsichtlich des Heiligen Krieges gemacht, daß der Papst ihm, falls er sein Wort nicht hielte, drohte, er werde ihn exkommunizieren und das ganze Land unter Interdikt stellen. Es war den Magnaten seit langem klar, daß der arme Heinrich ein unfähiger Regent war. Auch geringere Männer wie etwa Godefroi waren dieser Ansicht. Doch die letzte Spekulation war der Gipfel. Die hoffnungslose Lage des Königs war gleichzeitig die Chance der Magnaten: 1258 legten sie die Provisionen von Oxford vor – eine neue Freiheits-Charta, eine starke Ausweitung der Magna Charta aus der vorangegangenen Regierungszeit. Sie erklärten Heinrich, falls er ihre Unterstützung im sizilianischen Abenteuer erwarte, müsse er sich ihren Bedingungen fügen. Und diese waren demütigend für ihn: Es sollte ein ständiger Großer Rat bestimmt werden, bestehend ebenso aus englischen Magnaten wie aus des Königs nahen Freunden, meist fragwürdige Ausländer aus den Familienverbindungen mütterlicherseits derer von Lusignan. Dieser Rat sollte die obersten Staatsbeamten berufen, und tatsächlich würde er das Reich anstelle des Königs regieren. Heinrich befand sich in einer derart angespannten Finanzlage, daß er nachgeben mußte. Der Führer dieser Bewegung war eine der merkwürdigsten und widersprüchlichsten Gestalten der englischen Geschichte: Simon de Montfort.
    Der Gründer des Ersten Parlaments war kein Engländer; er stammte aus einer der nobelsten Familien von der Isle de France. Er war als Magnat nicht im geringsten an einer demokratischen Regierung interessiert. Zwanzig Jahre zuvor hatte er einen Skandal entfacht, indem er die gerade verwitwete Schwester Heinrichs heiratete, als sie bereits in ein Kloster versprochen war; nach Aussage des Königs hatte Montfort sie verführt. Dieser war mehr mit dem endlosen Prozeß zur Sicherung ihrer Mitgift beschäftigt, die Heinrich nicht ausbezahlte, als je mit dem englischen Parlament.
    Er äußerte sich über die Engländer in aller Öffentlichkeit verächtlich und stimmte mit dem gestrengen Grosseteste überein, daß die Moral der Nation einer Reform bedürfe, wenn nötig unter Zwang. Er war ein strikter Exerziermeister, der Heinrichs alberne Feldzüge lächerlich fand und dies auch mit spitzer Zunge kundtat, was den König von England zusammenzucken ließ. Simon war

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