Sarum
Kathedrale anderen überläßt.« Es war eine harte Entscheidung, doch Edward wußte, daß es keinen Sinn hatte zu diskutieren, wenn die Zunft so entschieden hatte. »Ich möchte es ihm selbst sagen«, bat er.
Nun hatte Edward die Nachricht überbracht. Er wußte, daß die Männer recht hatten, doch als er sah, wie sein robuster Vater zuerst eine drohende Haltung annahm und dann plötzlich in sich zusammensackte, dachte er, er hätte doch Widerspruch einlegen sollen. »Was soll ich denn jetzt machen?« Es war schrecklich, nach so vielen Jahren diesen Anflug von Hoffnungslosigkeit in der Stimme des Vaters zu hören.
»Es gibt genügend Arbeit auf dem Kathedralgelände.« Für den Klerus mußten Häuser gebaut werden, am Bischofspalast waren ständig Änderungen vorzunehmen. Doch all dies interessierte Osmund nicht. Erst tags zuvor hatte er eine Serie kleiner Hundeköpfe fertiggestellt, die in halber Höhe des Turms angebracht werden sollten. Es hatte ihm viel Freude gemacht. Er wollte noch so viele Skulpturen schaffen. »Aber ich habe immer an der Kathedrale gearbeitet«, erwiderte er. »Dort ist mein Zuhause, mein Leben.«
Nach einer verlegenen Pause antwortete Edward: »Die Zunft hat so entschieden, es tut mir leid.« Er wußte sonst nichts zu sagen. Dann wandte er sich um und ging auf die Kathedrale zu.
Osmund sah ihm nach. Das war schlimmer als die Kränkung durch Cristina; die hatte er wenigstens sich selbst zuzuschreiben. Doch das neue Gefühl seiner schwindenden Kräfte und nun diese plötzliche Ablehnung durch die Steinmetzzunft waren harte Schläge, die er nicht verdient hatte. Auf einmal fühlte er sich schwach und hilflos. Doch als er zur Kathedrale blickte, die er so geliebt hatte und die Edward soeben betrat, verzerrte sich sein rundes Gesicht in ohnmächtigem Haß.
Er verabscheute sie alle: seine Frau, die Steinmetzen, selbst seinen eigenen Sohn.
»Mach doch, was du willst«, murmelte er verbittert. »Du kannst zwar nicht meißeln, aber du bist noch jung.« Und mit einem Fluch wandte er der Kathedrale den Rücken.
Zum erstenmal in seinem Leben hatte Osmund die Todsünde des Neides begangen.
Im Jahr 1289 hatte König Eduard guten Grund, optimistisch zu sein. Sein Königreich war befriedet und blühte machtvoll auf. Die Bevölkerungszahl stieg an, die Landwirtschaft war im Aufschwung begriffen. Sein Sohn wurde von den kriegerischen Walisern als erster englischer , Prinz von Wales anerkannt und ihr Fürstentum, erstmals seit den Tagen der Römer, wieder mit England vereint.
Es mußten zwei bedeutende Ziele in Angriff genommen werden. Das erste war eine vollständige, längst fällige Reform der königlichen und feudalen Verwaltung. Überall gab es Korruption im kleinen. Bereits jetzt, zwei Monate nach seiner Rückkehr, setzte der energische König seine gewählten Beamten auf eine Untersuchung von Mißständen an, die die Sheriffs und Richter halb Englands erzittern ließen. Die zweite Sache war nichts Geringeres als die Vereinigung Englands mit seinem streitbaren Nachbarn Schottland zu einem Königreich.
Die Gelegenheit ergab sich zufällig, als König Alexander von Schottland im Alter von nur vierundvierzig Jahren durch einen Sturz vom Pferd ums Leben kam und als Erbin seines Reiches das Kind seiner Tochter und des Königs von Norwegen, die kleine Margarete, bekannt als Maid of Norway, hinterließ; die regierenden Häupter Schottlands hatten ihre Rückkehr aus Norwegen in ihr zukünftiges Reich sofort beschlossen. Man begab sich nun auf die Suche nach einem Gemahl. Diese Fügung des Himmels ergriff Eduard unverzüglich. Wenn die Maid seinen Sohn heiratete, konnten die beiden Reiche endlich vereint werden. Er hatte bereits von der Gascogne aus mit den Schotten verhandelt und war erfolgreich gewesen: In diesem Augenblick, während er auf die Kathedralstadt zuritt, waren auch vier schottische Kommissionäre auf ihrem Weg nach Salisbury, um seine Beamten dort zu treffen. Eduard war eine auffallende Erscheinung: groß, breitschultrig, mit langen Armen, die ihm auf Turnieren beste Dienste leisteten.
Daneben aber verfügte er über das Gehirn eines Advokaten – eine ungewöhnliche Kombination, die ihn zu einem der bemerkenswertesten Monarchen seiner Zeit machte. Obwohl er manchmal die frommen Eigenschaften seines Vaters zeigte – er liebte Staatsgepränge und hatte dem Papst zugesagt, das Kreuz zu nehmen –, hatte dieser skrupellose Verwalter und Soldat auch viel von Montfort gelernt, nicht
Weitere Kostenlose Bücher