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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Familie in Wilton weitergeführt und sich noch vor dem Tod des alten William einen ehrlichen Namen geschaffen. Trotz dieser Unterschiede war er immer noch als Williams Sohn bekannt, denn die Leute sprachen von ihm als John, Wills Sohn; daraus wurde dann der Name Wilson.
    John Wilson hatte keine Feinde; einige Leute in der Stadt bezeichneten ihn aus Geschäftsgründen sogar als ihren Freund. Sein kostbarster Besitz war seine Frau. Cristina war erstaunlich mit ihren siebenunddreißig Jahren. Es war, als wäre die Zeit seit ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr stillgestanden, und selbst Frauen in Sarum, die gut auszusehen für sich in Anspruch nehmen konnten, gaben zu, daß Cristina Wilson eine Klasse für sich war. Sie hatte ihrem Mann fünf Kinder geschenkt, war aber schlank wie ein Mädchen. Die üblichen Altersfalten stellten sich bei ihr als hübsche Lachfältchen um die Augen dar.
    Ihr Haar war so blond wie in ihrer Kindheit, und sie bewegte sich in dem offensichtlichen, doch bescheidenen Bewußtsein ihrer Schönheit. Für das Unternehmen ihres Mannes hatte sie schon wahre Wunder vollbracht.
    Sie sprach nicht viel und flirtete nicht mit den Händlern, mit denen sie zu tun hatte, denn in einer kleinen Gemeinde konnte das gefährlich werden. Doch durch ihre Gegenwart, ihr ermutigendes Lächeln, wenn sie die Preisangebote annehmbar fand, waren sie unter allen Umständen bestrebt, ihr zu Gefallen zu sein. Tatsächlich war John Wilson oft versucht, unverschämte Forderungen zu stellen, wenn ein Kunde sich zeitweilig von ihrer Schönheit verzaubern ließ, aber sie hielt ihn immer mit List davon ab.
    »Nachher sind sie böse und hassen mich«, gab sie zu bedenken. »Wir brauchen Freunde, John; wir sind nur kleine Leute.« Sarum hatte längst vergessen, wie sie den Steinmetzen zum Narren gehalten hatte. Ihr übermütiges Wesen, ihre starke Sinnlichkeit kannte nur ihr Mann, der darauf bedacht war, dieses Wissen für sich zu behalten.
    Heute war John Wilsons Miene besorgt und erwartungsvoll zugleich – es sollte der wichtigste Tag in seinem Leben werden. Die Sonne sah noch kaum über die Bäume, als sie den Palast von Clarendon erreichten. Er war wirklich für die Jagd gebaut: eine ausgedehnte weitverstreute Ansammlung von zweistöckigen Gebäuden, die während der Regierungszeit mehrerer Könige entstanden und bei Bedarf durch Gästezimmer oder Hundezwinger ergänzt worden waren. Am Tor der Palastmauer fragten sie nach den königlichen Appartements. Der Wächter musterte sie mißtrauisch, doch dann dachte er, es seien entweder Arbeiter wie der kleine Steinmetz, den er zuvor eingelassen hatte, oder sie gehörten zu den fahrenden Musikanten, die sich immer einfanden, wenn die königliche Gesellschaft am Ort war. So deutete er kurz auf einen Gebäudekomplex in der Mitte, und bald darauf standen sie am Eingang zu einem kleinen Hof, der von den königlichen Appartements umgeben war.
    Hinter einer offenen Tür sah Wilson einen reich ausgestatteten Raum. Der Boden war mit farbigen Fliesen belegt – eine Spezialität der in Wiltshire ansässigen Mönche. An der Wand hingen in umlaufenden grünen Zierleisten hübsche Porträts früherer Könige. Als Wilson plötzlich der Anwesenheit des Königs gewahr wurde, blickte er hilfesuchend zu seiner Frau. Sie lächelte ruhig: »Bist du bereit?«
    Er nickte, aber seine Hand zitterte. »Jetzt steht alles auf dem Spiel«, ermahnte sie ihn. Ehe Wilson Zeit hatte, länger über seinen ungeheuerlichen Plan nachzudenken, erschien, gefolgt von einigen Höflingen, die weißhaarige Gestalt König Eduards.
    Er war an diesem Morgen bester Stimmung, andernfalls wäre er gar nicht erst stehengeblieben, als ein Höfling auf den Händler aus Wilton und seine hübsche Frau deutete und sagte, sie hätten ein Anliegen. Seit Eduard die große Untersuchung in seinem Verwaltungsapparat durchführte, wurde der Hof mit Klagen und Bitten überschwemmt. Es war die Gewohnheit des Königs, sich die Fälle oft selbst anzuhören. So ließ er auch jetzt die Jäger warten und nickte Wilson zu. Dieser legte seinen Fall kurz und mit solcher Überzeugungskraft dar, daß Eduard, obwohl ein ausgezeichneter Menschenkenner, ihm Glauben schenken wollte.
    »Der Hof gehört mir«, erklärte Wilson. »Vor fünfzehn Jahren«, fuhr er glattzüngig fort, »bevor die neuen Gesetze den Juden untersagten, derlei Transaktionen zu tätigen, hatte Aaron von Wilton den Shockleys wieder einmal Geld gegen die Sicherheit des Shockley-Hofes

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