Sarum
ob zum Glück oder Unglück, sein Sohn Eduard sollte bald seine Nachfolge antreten. Es war eine prächtige feudale Zeremonie. Der Prinz feierte die Vigil in der Westminster Abbey und wurde am nächsten Tag zum Ritter geschlagen. Dann vollzog er die gleiche Prozedur an dreihundert jungen Edelleuten vor dem Hochaltar, und danach gab es ein großartiges Fest.
Von diesem Schwanenfest, König Eduards letzter großer Feierlichkeit, sprach man noch lange. Die Symbole von König Arthurs Rittern wurden mit einbezogen. Die Leute meinten, es wäre, als sei die Tafelrunde wieder auferstanden. Es war alles andere als ein oberflächlicher Aufzug. Eduard hatte genau kalkuliert und keine Mühe gescheut, um seinen Edelleuten die feudalen Pflichten aufzubürden, die sie seinem Sohn schuldeten, indem er an ihre Ritterlichkeit appellierte. Seine Berechnung war wie immer gut fundiert, und Godefroi spürte, während er von einem der unteren Tische aus das herrliche Fest verfolgte, wie sein Herz sich vor Freude und loyaler Rührung weitete.
Durch einen merkwürdigen Zufall hatte der König als Motto für die Festlichkeit das Emblem zweier Schwäne gewählt – zweifellos sollte es eine Anspielung auf sich und seinen Sohn sein, vermutete Godefroi. An den Wänden hingen wundervolle, mit Schwänen bestickte Gobelins, und am Ende eines jeden Tisches stand ein Stuhl, dessen geschnitzte Rückenlehne die Form eines Schwans hatte. König Eduard wußte sehr wohl, daß, wenn auch seine Edelleute eines Tages einem anderen Mann Loyalität schwören würden, sie sich in späterer Zeit an das Emblem erinnern und dadurch unerschütterlich bleiben würden.
Bald nahte Godefrois große Stunde. Zwei Magnaten, die am Tisch vorbeikamen, um dem König ihre Huldigung darzubringen, winkten ihn heran. Sein Herz schlug heftig, als er neben ihnen ging. Sicher würde es ihm Glück bringen, daß (der König den Schwan als Motto für diese Feier gewählt hatte. Auch Roger trug dieses Symbol auf seinem Gewand. Selbst als alter Mann war Eduard I. immer noch beeindruckend. Wenn auch seine hohe Gestalt im Stuhl zusammengesunken war, fielen Roger sofort die mächtige weiße Haarmähne und das berühmte hängende Augenlid auf. Doch sein einst so schönes, hoheitsvolles Antlitz war eingefallen, und offensichtlich litt er unerträgliche Schmerzen. Trotzdem bedachte er die beiden Magnaten mit einem langsamen, höflichen Neigen des Kopfes.
»Dies ist Roger de Godefroi, Euer Majestät«, sagte einer der beiden verbindlich. »Er hat sich letztes Jahr im Turnier von Sarum ausgezeichnet.«
Während der Mann sprach, sah Roger, daß die Augen des Königs an seinem Abzeichen hingen, aber es war nicht erkennbar, was er dachte. Einen Augenblick lang schwieg Eduard, dann sagte er mit dünner Stimme: »Ich habe davon gehört.« Seine Augen waren immer noch auf das Abzeichen geheftet.
»Sein Wappen ist ein Schwan, Sire. Ein Zufall«, warf der andere Magnat erwartungsvoll ein. Eduard gab keine Antwort.
»Er ist der Enkel von Jocelin de Godefroi, an den Eure Majestät sich erinnern werden«, schaltete sich der erste ein, »und er wäre glücklich, wenn er Euch in Schottland dienen dürfte.«
Es herrschte Stille. In Eduards Erinnerung tauchte eine Szene auf. Es war zur Zeit der Verhandlungen mit den schottischen Kommissionären, bevor die vermaledeite Maid von Norwegen starb und ihm all diese Schwierigkeiten bereitete. Jetzt erinnerte er sich an Einzelheiten. Da hatte es Zweifel an der Loyalität der Familie gegeben, einen Anflug von Falschheit. Vielleicht war das alles nicht wirklich so gewesen, aber er hatte keine Zeit, sich auf irgend etwas einzulassen. »Ihr kommt ziemlich spät, Monsieur«, sagte er ruhig. »Ich habe schon alle Männer, die ich brauche.«
Roger verneigte sich. Die Unterredung war beendet, und damit waren seine Hoffnungen begraben.
Ein Jahr später starb Eduard, und die schmähliche Regentschaft seines Sohnes begann. Es waren schlimme Zeiten. Eduard II. war ebenso unfähig, wie sein Vater außergewöhnlich gewesen war. Er versetzte die Magnaten in Zorn, weil er sie zugunsten seiner Favoriten – es hieß, er sei homosexuell – links liegenließ. Ende des Jahres verkaufte Roger eines seiner Güter. Er war noch nicht völlig ruiniert; es gelang ihm, die Walkmühle weiterhin zu behalten, und der alte Besitz in Avonsford mit seinem bescheidenen Herrenhaus stand unverändert. Tatsache war jedoch, daß die Hälfte seines Erbes vertan und es mit dem schönen Leben
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