Sarum
geworden.
Roger war sich darüber im klaren. Er war kein Dummkopf. Und trotzdem machte er weiter wie zuvor, denn er war nicht nur ein vollendeter Repräsentant des Rittertums, sondern auch verwöhnt. Für einen Mann wie ihn gab es nur einen Weg, aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen. Er hatte zwei Töchter und einen kleinen Sohn. Die Töchter mußten verheiratet und für den Sohn mußte gesorgt werden, und so sagte sich Roger: »Ich habe nichts als mein Schwert, um mein Glück zu machen.«
Es gab verschiedene Möglichkeiten. Der König war gezwungen, mehrere Feldzüge gegen die Aufständischen Wallace und Bruce in Schottland zu führen; Roger hätte sich anschließen sollen, aber es hatte offenbar immer zuviel in Avonsford zu tun gegeben. Nun aber konnte er es nicht länger aufschieben.
»Ich muß mich bei den Magnaten und beim König in Erinnerung bringen«, sagte er zu seiner Frau, »jetzt oder nie.« Eine Gelegenheit dazu ergab sich im Jahre 1305, in dem ein wichtiges Turnier auf dem Platz zwischen dem alten Kastell und Wilton in Sarum stattfand.
Aus dem ganzen Land kamen die Ritter mit ihrem Gefolge; die Gegend wimmelte von bewaffneten Männern. Das Domkapitel – mit seiner klerikalen Ablehnung des Turnierwesens und unter dem ständigen Druck eines unbotmäßigen Bürgermeisters nebst Ratsherren, die versuchten, ihre Abgaben an den Bischof zu umgehen – verabschiedete mit königlicher Genehmigung eine geharnischte Order, die jedem, der während des Turniers den Frieden in der Stadt störte, mit Exkommunikation drohte. Es war ein ganz überflüssiges Unternehmen: Ganz Sarum befand sich in einem Freudentaumel. Und Godefroi schwor sich: »Das ist meine Chance.«
Kein Aufgebot war prächtiger als das des Ritters von Avonsford. Er ritt ein herrliches Turnierpferd, wurde begleitet von einem Junker und zwei Pagen. Auf seinem Schild, seinem Umhang und der gesamten Ausrüstung prangte das edle Emblem des weißen Schwanes auf rotem Grund. »Wenn ich mein Können vorführe«, hatte er seiner Frau erklärt, »wird der König davon erfahren. Beim nächsten Feldzug könnte das ein Kommando bedeuten, und das wäre mir wichtig.«
Er hatte sich sorgfältig auf das Turnier vorbereitet. Seine Waffen waren erstklassig; er hatte sich die neueste Rüstung besorgt. Dafür hatte er viel bezahlen müssen – geliehenes Geld.
Vor dem eigentlichen Turnier wurde häufig eine Posse dargeboten. Diesmal waren es zwei weibliche, als Ritter verkleidete Akrobaten, die zu Pferd auf den Platz kamen, groteske Kapriolen vorführten und in einem Kauderwelsch aus Französisch und Englisch die unflätigsten Flüche von sich gaben. Die Menge spendete wilden Beifall. Selbst die Priester, von denen, entgegen den bischöflichen Anweisungen, viele anwesend waren, schüttelten sich vor Vergnügen. Die beiden Frauen verloren Teile ihrer Rüstungen; eine trug einen Kochtopf als Helm. Beide schwenkten ihre Waffen mit unanständigen Gesten, worauf die Zuschauer tobten.
Godefroi beobachtete die Szene schweigend. Plötzlich machte ihm das Spektakel keinen Spaß mehr. Seine Stirn umwölkte sich. Seine Schulden kamen ihm ungewollt in den Sinn. Wie tapfer er sich auch nach außen hin gab – nichts konnte sie aus der Welt schaffen. Und als er da auf seinem herrlichen grauen Pferd saß, in Waffen und Rüstung, die er nicht bezahlen konnte, und gleich für seinen Besitz kämpfen sollte, überkam ihn plötzlich ein schreckliches Gefühl der Leere. Er schüttelte den Kopf bei dem furchtbaren Gedanken, der ihm so unvermittelt kam: War sein eigenes Turnier, wie das vulgäre Schauspiel dieser beiden Frauen, vielleicht nichts anderes als eine großangelegte, kunstvolle Scharade? Seine glänzende Rüstung, sein Schild mit dem leuchtenden weißen Schwan – war all dies, wie die Priester so oft warnten, vielleicht wirklich reine Eitelkeit?
Er wußte es nicht. Vergeblich versuchte er den häßlichen Gedanken zu verdrängen.
Roger siegte in diesem Turnier. Er wurde beachtet und bewundert; einige Magnaten kamen auf ihn zu und drängten ihn, wie er es gehofft hatte: »Kommt zu unserem nächsten Treffen, Godefroi, wenn der König anwesend ist. Es wird Euer Vorteil sein.«
Diese Gelegenheit ergab sich im folgenden Jahr. Im Mai 1306 rief König Eduard I. seine Edelleute nach Westminster, wo sein liederlicher Sohn zum Ritter geschlagen wurde. Es war ein Ereignis von größter Bedeutung und eine der letzten Taten seiner Regierungszeit. Der König war alt und krank, und,
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