Sarum
Woche. Wie wär’s?« Für den kleinen Walter klang das wunderbar; dann müßten sie nicht von hier weg. Er konnte nicht begreifen, warum auf dem Gesicht des Vaters plötzlich blanker Zorn stand.
»Wenn ich das mache«, sagte John schließlich langsam, »bin ich ein Leibeigener. Jetzt bin ich ein freier Mann.«
Mary interessierte das offenbar wenig. »Das ist nicht meine Sache. Auf jeden Fall gibt’s Arbeit.«
Es war nicht ungewöhnlich für einen mittellosen Freien, in der Not einem Gutsbesitzer Dienst zu leisten, was ihn, praktisch gesehen, zu einem Leibeigenen machte; aber so ein Leibeigener konnte auch wieder zu Geld kommen und seine Freiheit zurückkaufen. Doch es war bitter, nach all den Mühen der Leibeigene eines verhaßten Shockley zu werden!
»Jedenfalls kannst du auf dem Hof bleiben«, sagte Mary nicht unfreundlich.
»Also gut dann.« Walter erinnerte sich sein Leben lang sehr gut an das traurige Nicken seines Vaters. Selbst in seinem kindlichen Alter wußte er, daß diese Geste Verzicht bedeutete; und wenn er auch die Gründe nicht verstand, tat sein Vater ihm leid, und er war böse auf die große Frau, die ihn offenbar in der Hand hatte.
Mary lächelte. »Das wäre geregelt.« Sie wandte sich zum Gehen, blieb dann aber noch einmal stehen und betrachtete Cristina: »Willst du die Goldkette verkaufen?«
Mary dachte, sie tue der Familie damit einen Gefallen, doch Walter erinnerte sich nur daran, daß seine Mutter nach der Kette faßte, als wollte jemand sie ihr entreißen. »Vielleicht«, antwortete Cristina zögernd.
»Schön«, sagte Mary. »Die Kette gefällt mir.« Dies war das einzige Schmuckstück, das sie je in ihrem Leben kaufte. Was nach Marys Weggang geschah, blieb Walter noch viel stärker im Gedächtnis haften. Dieses Bild verließ ihn nie mehr, nicht während all der langen traurigen Jahre, die sein Vater auf dem Grund und Boden der Shockleys arbeitete; niemals, während Cristina allmählich zu einer alten Frau mit arthritischen Händen wurde, und auch später nie. Denn zu ihm wandte sein Vater sich um, nachdem Mary gegangen war. Walter sah zu seiner Bestürzung, wie das ruhige, heitere Gesicht des Vaters sich plötzlich in wildem Haß verzerrte und wie seine Augen voll von jahrelang angestautem Zorn waren, während er den Sohn bei den Schultern packte und rief: »Eines Tages nehmen wir uns dieses Land wieder und den Shockley-Hof und die Mühle, verstehst du? Wir werfen sie raus. Wenn ich es nicht kann, wirst du es tun. Vergiß das nie!« Und Walter vergaß es nie.
Unglücklicherweise lebte Roger de Godefroi auf allzu großem Fuße. Die beiden schönen Besitzungen, die der alte Jocelin für ihn verwaltet hatte, dienten zu seinem Vergnügen. Nichts hatte den Großvater mehr beglückt, als zu sehen, welch gute Figur sein Erbe beim Turnier machte und wie vollkommen er der Vorstellung von einem jungen Edelmann entsprach.
So war es nur natürlich, daß Roger nach Jocelins Tod weiterhin ein Leben führte, wie es einem so feinen Herrn anstand. Er wußte, was von ihm erwartet wurde. Er gab prächtige Feste auf Avonsford. Der Besitz konnte das einigermaßen tragen und hätte sich auch davon erholt. Roger heiratete eine Lady aus Cornwall. Sie hatte die wundervollen Merkmale ihrer keltischen Vorfahren: dichtes braunes Haar und herrliche blaue Augen, die allgemein bewundert wurden; nebenbei hatte sie eine kleine Mitgift. Roger hatte sie gewählt, weil sie die schönste unter den Zuschauerinnen bei einem Turnier war, das er gewann. Er beschenkte sie mit wertvollen Kleidern aus London, und die beiden galten allgemein als das schönste Paar der Gegend.
Mit dem Besitz allerdings ging es bergab. Roger legte einen hübschen, von einer Mauer umgebenen Garten an und pflanzte darin Maulbeerbäume, Nußbäume, Rosen, Weinreben und Weiden. Glücklicherweise fand er nie die Zeit, um eine längst geplante Halle zu bauen. Nicht zuletzt gab er großzügige Spenden an Krankenhäuser und geistliche Orden. Und schließlich warf das sein Besitz nicht mehr ab. So ging es Jahre fort, und Roger überzog seine Kredite nach allen Richtungen hin.
Während dieser Zeit führte der König den maltote-Zoll ein, und damit erhielt Roger einen geringeren Preis für seine Wolle. Von dieser Reduzierung seines Einkommens erholte er sich nie mehr, aber er unternahm auch nichts dagegen, außer daß er hin und wieder auf seinen Verwalter fluchte. Um das Jahr 1300 war seine Lage sehr ernst, um 1305 war sie hoffnungslos
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