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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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und Seelenmessen – alles verschwand innerhalb von fünf Jahren. Jetzt gab es pro Tag zwei schlichte Messen und einmal im Monat eine Kommunion; das alte Gebetbuch von Sarum wurde durch Cranmers englisches Gebetbuch ersetzt. Bischof Gardiner im nahen Winchester wurde abgesetzt. Dem Klerus wurde mitgeteilt, daß die Priester heiraten dürften und daß ihre Kinder legitim seien.
    Edward Shockley war zu beschäftigt, um sich ernsthaft um diese Neuerungen zu kümmern, er betrachtete sie jedoch mit leicht gemischten Gefühlen. Je besser er die schönen melodiösen Passagen aus Cranmers Gebetbuch kennenlernte, um so mehr kam er zu der Überzeugung, daß der ehrliche Protestantismus der neuen Ära in vieler Hinsicht besser war als die starre, autoritäre Orthodoxie der vorhergegangenen Regierungszeit. Er las die neuen protestantischen Traktate aus dem übrigen Europa still für sich und fand ihre Ansichten zunehmend überzeugend.
    Auf Katherine hatte die Veränderung eine schreckliche Wirkung. Zwar hatte er gewußt, daß sie eine gläubige Katholikin war, aber er hatte nicht erwartet, daß die ersten Reformen des neuen Königs in ihr einen Schock auslösen würden. Und genau dies war der Fall. Sie weigerte sich, zum protestantischen Abendmahl zu gehen. Sie weinte, als die Heiligenbilder zertrümmert und die Votivkapellen in der nahen St.-Thomas-Kirche entweiht wurden.
    Sie schrieb ihrem Vater lange Briefe und erhielt die strenge Antwort, daß sie sich im verborgenen strikt an den wahren Glauben halten und abwarten solle. Vor allem, prägte ihr der Vater ein, solle sie ihrem Gatten als einem guten Katholiken, der sie am besten führen werde, gehorchen. Edward dachte an die Warnung ihres Vaters. Jetzt verstand er sie besser. Aber was sollte er tun? Er sagte ihr lediglich, sie solle abwarten und geduldig sein.
    Wie nachgiebig sie war! Manchmal rührte es ihn, wie vertrauensvoll sie von ihm Stärkung und Trost erhoffte, die er ihr doch, wie er im Innersten wußte, nicht geben konnte.
    Es war eine seltsame Situation. Nach außen stimmte Edward Shockley mit der neuen protestantischen Herrschaft überein, an die er im Grunde auch glaubte. Zu Hause hielt er die Rolle des guten Katholiken aufrecht, um seine Frau zu beruhigen.
    Tochter Celia wurde geboren, und Edward glaubte, daß seine Frau vorerst zufrieden sei.
    Der allmählich zwischen ihnen entstehende Bruch zeigte sich erst, als Celia etwa ein Jahr alt war. Es war seine Schuld. Wenn seine Frau nicht so ängstlich darauf bedacht gewesen wäre, ihm stets zu Gefallen zu sein, hätte er es vielleicht länger ertragen, aber allmählich fing er an sie zu provozieren. Gelegentlich war es bloß eine gutmütige Bemerkung; teilweise verbarg sich dahinter aber auch eine unterschwellige Kritik an ihr. Seine Bemerkungen kommentierten gewöhnlich das Dogma der katholischen Priester oder auch die Absurdität einer Reliquie, die abgeschafft worden war. Die arme Katherine fühlte, daß solche Äußerungen sie herausfordern sollten, aber sie wußte nicht, ob es eine Kritik an ihr oder an der Kirche war. War Edward kein guter Katholik mehr? Oder liebte er sie nicht mehr?
    Im Lauf der Monate entwickelte sich eine gewisse Kühle zwischen ihnen. Mehrmals ertappte er sie, wie sie ihn argwöhnisch ansah, und einmal fragte sie ihn offen: »Bist du denn kein Katholik?« Er versuchte, sie zu beruhigen, aber er merkte, daß sie ihm nicht mehr ganz traute. Obwohl sie sich nicht abwandte, wenn er nachts neben ihr lag, spürte er doch eine Welle der Abneigung von ihrer Seite. Im Lauf der nächsten Monate verhielt er sich ebenso, wenn auch nur aus einer Art von Selbstschutz.
    Sie war immer noch nachgiebig und pflichtbewußt; aber weil er sich ihrer Liebe nicht mehr sicher war, machte es ihm keinen Spaß mehr, auf seinem Recht zu bestehen. Manchmal log er wieder, nur um sie zu erfreuen, beteuerte seinen katholischen Glauben, und für eine Weile schien die Beziehung wieder wie früher zu sein. Aber er vermutete immer, daß sie im geheimen an ihm zweifelte.
    Er konnte jedoch sicher sein, daß sie ihren Argwohn ihrer Familie gegenüber nicht erwähnte, denn damit hätte sie zugegeben, daß ihr Mann ein Verräter war.
    In den folgenden Jahren verlief ihre Ehe dennoch einigermaßen friedlich. Zeitweise wurde auch die frühere Beziehung wiederaufgenommen. Katherine wurde wieder schwanger, hatte jedoch eine Fehlgeburt. Celia wurde zu Hause insgeheim katholisch erzogen. Aber einige Male hatte das Kind bereits

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