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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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vermutete, daß seine und Katherines Eltern im wesentlichen übereinstimmten.
    Was seine eigenen Ansichten anbetraf, so meinte er, wenn er nur in die Kirche ging, die der König befahl, so habe er Genüge geleistet. Ganz persönlich allerdings hielt er viel von den Bibellesungen der Protestanten; er hörte gern den Gottesdienst auf englisch und fand, daß Männer wie Cranmer und Shaxton mit gutem Recht den alten papistischen Glauben angriffen.
    An ein Gespräch mit dem alten William Moody erinnerte er sich nur allzu gut.
    »Wir sind eine katholische Familie«, bedeutete ihm Moody, »und meine Tochter wird nur in eine Familie mit derselben Geisteshaltung heiraten.«
    »Meine Eltern sind katholisch und bedauern den Bruch mit Rom«, antwortete Edward wahrheitsgemäß und hoffte, daß dies genügen möge. »Die Reformation gab es auch in Sarum«, bemerkte Moody ruhig. »Unter Shaxton«, gab Edward zu, »aber der König ersetzte ihn durch Bischof Capon, der sich an die Sechs Artikel hält.« Moody gab sich noch nicht zufrieden. »Und du, Edward Shockley, bist du sicher, daß du dir nichts aus den Doktrinen der Protestanten machst? Wenn du dies nicht mit gutem Gewissen schwören kannst, wird meine Tochter nie glücklich werden.«
    Er hatte an das süße Lächeln des unterwürfigen Mädchens gedacht, an ihren frischen jungen Körper und an sein eigenes Verlangen. Er hatte nicht geschwankt. Er hatte William Moody in die Augen geblickt und geschworen: »Ich bin ein Katholik aus einer katholischen Familie.« Katherine liebte ihn, das wußte er; das allein zählte. Wenn in Zukunft Meinungsverschiedenheiten aufträten, so meinte er, würde sie ihm mit ihrem unterwürfigen Charakter keine Schwierigkeiten machen. Drei Monate später, nachdem er auch versprochen hatte, ihrem zehnjährigen Bruder ein guter Freund zu sein, wurde geheiratet. Aber er hatte gelogen.
    Sein Eheleben erwies sich als überaus glücklich. Er und Katherine ließen sich in der Nähe des Shockley-Hauses nieder und genossen ihr erstes glückliches Jahr.
    Jeden Abend saßen sie gemeinsam beim Abendessen, und beide konnten oft das Ende der Mahlzeit kaum erwarten. Tagsüber arbeitete er bei seinem Vater, die Nächte waren voller Leidenschaft. Anfänglich hoffte sie wegen der von ihr vorgenommenen Veränderungen im Haus oder bezüglich des Speisezettels ängstlich auf sein Lob, doch dann gewann sie mehr und mehr an Selbstvertrauen und wurde schließlich eine wunderbare Geliebte.
    In jenem Jahr tauchte das Thema der Religion selten auf. Sie gingen zusammen in die Stadt oder in die Kathedrale zur Messe, sonst sprachen sie selten über Religiöses. Da sie beide ihrer Meinung nach ohnehin in allem übereinstimmten, gab es gar keinen Anlaß.
    Gelegentlich las er in der englischen Bibel, und darüber machte sie sich Gedanken. Aber er erklärte ihr, daß der König dies erlaubte, und sie wagte nicht, mit ihrem Gatten zu debattieren. Er war freundlich und verläßlich ihr gegenüber. Und sie liebte ihn.
    Im Jahre 1547 ereignete sich einiges, das ihr Leben änderte. Das erste war der Tod seines Vaters. Edward übernahm nun für das Geschäft die Verantwortung. Da seine Mutter krank war, zogen sie in das Shockley-Haus, und seine Mutter wurde im Nebenhaus untergebracht, wo eine Pflegerin sie versorgte.
    Er war jetzt ein Mann mit Verantwortung. Er war willens, aber er war mehr eingespannt als bisher und sah seine Frau nicht mehr so häufig. Aber Katherine war zufrieden. Sie war schwanger. Ein drittes Ereignis jedoch betraf ihr Heim unmittelbar und warf einen Schatten über ihr Leben.
    Im Jahre 1547 starb König Heinrich VIII. von England, und sein einziger Sohn, der fromme Kindkönig Eduard VI. trat die Nachfolge an. Shockley war sich noch nicht im klaren über die Folgen. Eduard VI. herrschte unter der Führung von Protektoren: zunächst sein Onkel Seymour, außerdem der mächtige und intrigante Herzog von Northumberland. Er hatte Favoriten, denen er vertraute, wie Sir William Herbert von Wilton, den er zum Grafen von Pembroke machte. Manche sagten, der König stehe auch unter Cranmers Einfluß. Aber was immer seine Berater ihm nahelegten, der frühreife junge König hatte zweifellos seinen eigenen Kopf – und er war Protestant. Damit kam die Reformation wirklich nach Sarum. Bischof Capon, der rigorose Verteidiger der Orthodoxie unter König Heinrich, verwandelte sich umgehend in einen ebenso rigorosen Protestanten.
    Alles änderte sich: Die Votivkapellen mit ihren Priestern

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