Sarum
Bemerkungen gemacht, die in der Stadt Ärger hervorgerufen hätten.
»Laß das Kind sich mit der katholischen Lehre befassen, wenn es älter ist«, schlug er seiner Frau vor. »Nicht bevor sie alt genug ist, zu wissen, wann sie ihren Mund halten muß. Schließlich«, fügte er tröstend hinzu, »ist Cranmers Gebetbuch doch nur eine Übersetzung aus unserem alten Sarumer Gebetbuch.« Es stimmte, tröstete sie aber dennoch nicht. Dann gab es an jenem Morgen diese Szene. Er ging früh weg, kehrte jedoch kurz nach Hause zurück, bevor er nach St. Thomas weitergehen wollte.
Katherine hatte ihn nicht kommen hören. Als er die Stufen zum großen Zimmer über der Straße hinaufkam, hörte er, wie sie mit ihrer sanften Stimme zu dem Kind sagte: »Und dann vollzieht der Priester ein Wunder, und das Brot und der Wein werden wahrhaftig der Leib und das Blut unseres Herrn.«
Es wurde ihm kalt. Was geschähe, wenn das Kind so etwas öffentlich sagte? Es war das Dogma der Wandlung während des Meßopfers. Jeder Lollarde früher und jeder Protestant heutzutage leugnete es. Der orthodoxe Heinrich VIII. hatte in seinen »Sechs Artikeln« darauf bestanden. Aber für seinen Sohn Eduard VI. für Cranmer und den Bischof Capon war das ein Greuel.
Er stürmte ins Zimmer. »Nein! Ich lasse nicht zu, daß man sie papistische Doktrinen lehrt.« Drohend erhob er den Finger gegen seine Frau. »Ich verbiete es dir, Katherine, und du wirst mir gehorchen.« Er sah, daß sie litt, aber es war ihm gleichgültig.
»Du nennst das papistisch?«
»Ja.«
»Dann«, nie würde er den Schmerz in ihren Augen vergessen, »glaubst du nicht?«
Da schrie er es endlich heraus: »Nein, du törichte Frau, nein!« Nun wußte sie also endlich, daß er sie all diese Jahre verachtet und hintergangen hatte.
Die Gedanken an sein Geschäft waren ihm jetzt ein Trost. Dieser Tag konnte schließlich der Wendepunkt in seinem Leben sein. Wenn die bestehende Zusammenkunft zwischen ihm, Thomas Forest und dem Flamen erfolgreich verlief, könnte sein langgehegter Ehrgeiz sich erfüllen, daß die Familie der Shockleys an die Spitze der Kaufmannselite von Sarum vordringen würde. Wieder spielte die alte Walkmühle die wichtigste Rolle für den Erfolg der Familie.
In den letzten Jahrzehnten hatte sich das Tuchgeschäft in England gewandelt. Die leichteren Stoffe, die Seiden oder das grobe Wolltuch, die Salisbury so erfolgreich machten, waren nicht mehr gefragt. Aber für die Shockleys mit ihrer Walkmühle hatte sich eine neue Möglichkeit ergeben. »Vergiß den Handel mit Italien«, hatte John Shockley seinen Sohn gedrängt. »Geh nach Antwerpen, wenn du kannst.« Das schwere Tuch war jetzt gefragt – die schlichten ungefärbten Tuchbahnen. Dies war das Tuch, nach dem die Händler aus den Niederlanden und Deutschland verlangten, und der große Markt von Blackwell Hall in London war das Handelszentrum mit seinen Verbindungen nach Antwerpen, ins Baltikum und weiter.
Das Problem war, wie John reumütig zugab, daß er nicht die Mittel hatte, in ein so groß angelegtes Unternehmen zu investieren. Aber jetzt hatte Thomas Forest seinem jungen Freund Edward ebendies angeboten. Sein Plan war zu ihrer beider Vorteil kalkuliert. Thomas Forest war ohne Frage ein Gentleman. Sein Vater hatte in dem Herrenhaus von Avonsford, das er zum großen Teil neu aufgebaut hatte, den gesellschaftlichen Status der Familie auf vielfache Weise angehoben.
Er hatte sich ein eindrucksvolles Wappen anfertigen lassen: die großartige, recht aufwendige Darstellung eines sprungbereiten Löwen auf goldenem Grund, die stolz über dem Kamin in der Halle und nun auch auf seinem Grab im kleinen Dorffriedhof prangte. Abgesehen von diesem Adelsbeweis hatte er kurz vor seinem Tod das Herrenhaus durch sein schönes Porträt schmücken lassen. Es war zugegebenermaßen nicht von dem großen Holbein, der den König und die führenden Persönlichkeiten im Land konterfeite, jedoch von einem würdigen Nachfolger, einem jungen Deutschen, der dem schmalen pfiffigen Gesicht des alten Forest eine strenge Würde verlieh, die er sicherlich nie besessen hatte. Diese Porträtmalerei war – zumindest im Adelskreisen – in England die neueste Mode.
Thomas Forest, der Sohn, setzte die Anstrengungen, den Status der Familie anzuheben, fort – womöglich noch intensiver. Er heiratete die Tochter eines reichen Tuchhändlers aus Somerset, die sich seitens ihrer Mutter auf eine edle Ahnenschaft berufen konnte, die allerdings etwas im
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