Sarum
andere Handelsgeschäfte von ihm finanzieren. Er wollte auch die Schulden des Kaufmanns gegen die Sicherheit seines Antwerpener Hauses bezahlen. Tatsächlich hatte Forest den Mann gegen Ende des Nachmittags vereinnahmt.
Als die Angelegenheit ordnungsgemäß vereinbart war, gingen die drei Männer zu allgemeinen Themen über. Gemütlich in der großen getäfelten Halle sitzend, lächelte der Flame sie beide wohlunterrichtet an: »Also seid ihr Engländer, wie wir, dieses Jahr Protestanten. Ihr werdet eure Meinung wohl bald wieder ändern. In Antwerpen geht das Gerücht, daß euer Kindkönig krank ist. Bald wird er sterben. Was dann?«
»Unsinn«, protestierte Shockley. Erst im Jahr zuvor war der fünfzehn Jahre alte König nach Sarum gekommen, und er hatte ihn mit eigenen Augen gesehen: Der Junge sah blaß aus, aber er lächelte und erwiderte die Ergebenheitsbekundungen der Menge mit allen Anzeichen gesunder Freude. Zwar hatte man in diesem Februar von einer vorübergehenden Krankheit gehört, aber ein Londoner Kaufmann versicherte ihm, daß es dem jungen König jetzt bessergehe.
Zu seiner Überraschung widersprach Forest nicht. »Das Land wird der Religion des Monarchen folgen«, erklärte er dem Flamen gelassen. »Gleichgültig, welcher?« fuhr Shockley auf. »Ich glaube, ja.«
Der Flame lachte. Er war in ausgelassener Stimmung, als sie in die Stadt zurückfuhren. Er war sich darüber klar, daß Forest ihn in der Hand hatte, aber gleichzeitig war er erleichtert, seine Schulden los zu sein. Als sie an dem alten Kastellhügel vorbeikamen und sich dem Stadttor näherten, pfiff er und fragte: »Und wo sind jetzt die Mädchen in Sarum?«
Abigail Masons breite blasse Stirn war immer noch glatt, und ihr braunes Haar war straff nach hinten gebunden; ihr Gesicht, das zum Kinn hin in einem ausdrucksstarken Winkel zurückwich, geriet nie außer Fassung. Ihr Mund blieb immer beherrscht. Edward fragte sich, ob da nicht ein Hauch von Bitternis war. In jedem Fall hatte sie ihn in der Gewalt. Abigail Mason sehnte sich nach einem Kind. Sie war achtundzwanzig.
War es ihre Schuld? Die meisten Menschen vermuteten es. Die Familie der Masons war kinderreich; Robert, der Vetter ihres Mannes, der im nahen Fisherton wohnte, hatte sechs gesunde Kinder. Und doch sagte ihr ein Gefühl, daß sie noch schwanger werden könnte. Wie sehr sie sich danach sehnte! Wenn sie ein kleines Kind auf der Straße weinen hörte, fühlte sie sich unwiderstehlich hingezogen; wenn sie Roberts Frau ihr Kind stillen sah, konnte sie sich schmerzlichen Neids kaum erwehren. Peter Mason war mittelgroß und im Gegensatz zu der übrigen Familie sehr schlank. Sein Kopf war im Verhältnis zu dem eher zarten Körper groß und rund und neigte zur Glatze. Er war ein sanfter, einfacher Mann, und dank Abigails stetigem Pflichtbewußtsein war er ihr in ungetrübter Freude zugetan.
Sie wohnten in dem Haus, wo auch der alte Benedict seine Glockengießerei hatte. Die Glockengießerei lag seit dreißig Jahren still, Peter betrieb jetzt eine Messerschmiedewerkstatt. Auch er sehnte sich nach einem Kind; ansonsten war er zufrieden. Manchmal wünschte sie, er hätte mehr Ehrgeiz. Sie fragte sich, ob er ohne sie überhaupt Gott auf die rechte Weise dienen würde. Es hatte viel Überredungskunst ihrerseits gebraucht, ihn dazu zu bringen, das gotteslästerliche Fenster in der St.-Thomas-Kirche zu zerstören. Aber wenn auch Peter Mason nicht die Erfüllung ihrer Träume war, führte sie doch ein ruhiges und angenehmes Leben.
Da gab es jedoch etwas Entscheidendes, was geändert werden mußte, ebenso wichtig wie das Kirchenfenster. Und als sie an jenem Morgen mit Peter zurückging, ermahnte sie ihn: »Du mußt jetzt handeln. Das hast du mir versprochen.«
Er fürchtete diese Konfrontation und überlegte, wie er sie noch bis zum nächsten Tag hinauszögern könnte.
Als Nellie Godfrey an jenem Abend mit dem Kaufmann aus Antwerpen aus dem George Inn kam, hatte sie das Gefühl, daß er ihr Schwierigkeiten machen könnte. Er war ein schwerer, gewichtiger Mann, und obwohl er eine Menge Wein getrunken hatte, war sie nicht sicher, ob er wirklich betrunken war. Sie sah ihn verschmitzt an. Sie hoffte, sie würde mit ihm – wie mit den meisten Männern – fertig werden. Vorsichtig, aber entschlossen lotste sie ihn zu ihrem Quartier.
Als er seinen mächtigen Arm um sie legen wollte, lachte sie und entschlüpfte ihm. »Warte noch!«
Nellie Godfrey besaß beachtliche Gaben, die sie, was die
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