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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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gelegentlich in die Messe ging, fühlte Abigail in Fisherton weniger Spannungen. Untypisch für die Familie, hatte Robert einen dichten dunklen Haarschopf, einen grobschlächtigen Körper und klare Ansichten.
    »Diese Glaubensvorschriften sind widerrechtlich«, sagte er einmal. »Aber ich werde mich erst dagegen auflehnen, wenn meine sechs Kinder erwachsen sind.«
    »Plagt dich dein Gewissen?« fragte sie.
    »Ja«, sagte er offen, »jeden Tag. Aber jetzt ist die Zeit, wo wir das schweigend ertragen müssen. Davon bin ich überzeugt.« Obwohl sie nicht sicher war, ob er recht hatte, respektierte sie seine Entscheidung. »Glaubst du, daß wir in unserem engsten Kreis auf die rechte Weise zu Gott beten dürfen?« fragte sie.
    Robert Mason bejahte; Robert war der Vorbeter; Peter, Abigail, die sechs Kinder und einige Nachbarn trafen sich heimlich in Fisherton und hielten jede Woche mit gutem Gewissen ihren protestantischen Gottesdienst ab.
    Über eines gab es zumindest keine Frage: Roberts Kinder brauchten Abigail. Und in ihrer unglücklichen Lage waren sie ihr ein Trost. Vor allem das Baby lag ihr am Herzen; tatsächlich fiel es ihr manchmal schwer, sich von ihm zu trennen, und oft, wenn sie in die Culver Street zurückkam, stand sie still an der Tür der kleinen Werkstatt und sah ihren Mann fragend an: »Wird Gott uns vielleicht doch noch ein Kind schenken?« Wenn sie auch ihren Mann in der überaus wichtigen Frage der Religion nicht ganz respektieren konnte, so war an seinem Verhalten doch nichts auszusetzen. Peter versuchte nicht nur, ihr zu helfen, er klagte auch nie.
    Edward Shockley beobachtete die Entwicklungen im Haushalt der Masons mit gemischten Gefühlen. Manchmal, wenn er den schlichten Peter und seine energische, leidenschaftliche Frau ansah, fühlte er einen Hauch von Verachtung für den Schmied; aber sofort korrigierte er sich: Und du, Edward Shockley, der alles besser versteht als Peter Mason, gehst du nicht auch wie ein Feigling mit allen anderen zur Messe? fragte er sich dann.
    Ganz offensichtlich gab es derzeit keine besseren Katholiken in Sarum als Edward Shockley und seine Frau Katherine. Jede Woche gingen sie mit Katherines Bruder John zur Messe, und Edward blickte ehrfürchtig auf die erhobene Hostie. Katherine war glücklich; und Edward mußte zugeben, daß er es im Hinblick auf sein Familienleben auch war. Katherine war wieder schwanger.
    Und trotzdem war Edward Shockley versucht, ein Doppelleben zu führen. Er wußte von den illegalen Gebetstreffen der Masons, weil ihm Peter Mason davon erzählt hatte. Eines Tages fragte er den überraschten Messerschmied, ob er sich ihnen nicht einmal anschließen dürfe. »Du darfst aber auf gar keinen Fall darüber reden.« Das mußte Edward versprechen.
    Peter war begeistert, und wenn Abigail es nicht war, so sagte sie zumindest nichts.
    Edward schätzte diese Gebetszusammenkünfte aus verschiedenen Gründen – nicht zuletzt, weil er auf sich selbst stolz war: Mochte er in der Öffentlichkeit lügen, wenn er die Augen der Hostie zu Ehren erhob; mochte er zu Hause seine Frau belügen – aber hier wenigstens, bei diesen guten Leuten mit ihren heimlichen Gebeten, kam er sich ehrlich vor. Die Treffen waren gesetzeswidrig und gefährlich. Der Gedanke, daß er entdeckt werden könnte, erschreckte ihn. Aber er war überzeugt, den Masons vertrauen zu können. Einmal nach einem solchen Treffen bekam Shockley es plötzlich mit der Angst.
    Als sie gemeinsam aus dem kleinen Haus in Fisherton kamen, erblickte er plötzlich John Moody. Er stand etwa hundert Meter entfernt auf dem Weg. Er wandte sich gerade um, deshalb konnte Edward nicht feststellen, ob ihn der junge Mann gesehen hatte oder nicht. Er eilte fort und vergaß den Vorfall wieder.
    Im Jahre des Herrn 1554, nachdem sich das Parlament Ende November formell dem päpstlichen Legaten unterworfen hatte, wurde das Königreich England wieder in die römische Kirche aufgenommen. Dies lag trotz der Wünsche des Parlaments, von Rom unabhängig zu bleiben, an der Entschlossenheit dreier Menschen: Marias, ihres Gemahls Philipp von Spanien und des Legaten Kardinal Pole selbst. Letzterer war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Er entstammte der englischen Königslinie. Sein einziger Ehrgeiz war, Papst zu werden, und sein Anliegen war es, England in die katholische Gemeinschaft zurückzuführen.
    Er war einfach entsetzt von den Zuständen, die er vorfand. Das englische Parlament wollte einer Rückkehr unter römischer

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