Sarum
die Einzelheiten über die Gesellschaft, sondern auch einen genauen Bericht über den kürzlichen Versuch von Willoughby und Chancellor, eine Nord-Ost-Passage nach dem legendären China zu finden. Auch das hatte sie vom Kaufmann erfahren. Er betrachtete sie mit Interesse.
Am nächsten Tag verhielt sie sich ebenso, den Tag darauf wieder. Als er mehr über sie herausfinden wollte und sie einlud, mit ihm am Tisch zu speisen, lehnte sie höflich ab.
Am vierten Tag ging sie erst abends ins Wirtshaus. Sie huschte ungesehen am Saal vorbei, und mit einer kleinen Bestechungssumme für das Zimmermädchen verschaffte sie sich Zugang zu seinem Zimmer. Die meisten Leute, die im Wirtshaus übernachteten, teilten ein Zimmer und schliefen auf Bänken oder Matratzen. Aber Kapitän Jack Wilson hatte genügend Mittel für ein eigenes Zimmer – es war das beste im Haus – mit einem massiven Eichenbett. Sie zog sich aus, legte sich hinein und wartete.
Gegen Mitternacht kam Kapitän Jack Wilson leichtfüßig die Treppe herauf. Zu seinem Bedauern hatte er die hübsche Frau an diesem Tag nicht getroffen, aber jetzt hatte er ein Mädchen bei sich, und sie betraten zusammen das Zimmer.
Als die beiden sie überrascht anstarrten, verkündete sie kurz und bündig: »Heute nacht brauchst du sie nicht.«
Sie war aufs Ganze gegangen, denn der Kaufmann erwartete sie in dieser Nacht. Aber sie war sicher, daß ihr Unternehmen gelingen würde. In der dritten Nacht mit Wilson sagte sie ganz offen: »Es wird Zeit, daß du heiratest. Du wirst keine Bessere als mich finden.« Sie blickte ihm geradewegs in die Augen. »Und ich bin adeliger Abstammung.« Wilson starrte sie an. Er dachte an sein ungebundenes Leben, seine vierzig Jahre, die vielen Frauen, die er gekannt hatte. War ihm eine einzige so wichtig? Diese Frau, die einfach in sein Bett gekommen war und eine Rivalin hinausgeworfen hatte, besaß allerdings ein Feuer, eine innere Stärke und Entschlossenheit, wie sie ihm noch nie begegnet waren. Bei Gott, dachte er plötzlich, ich habe genug eigenes Geld. Warum eigentlich nicht?
Zwei Monate später bekam Nellie Godfrey ihr eigenes Haus, und zwar in Christchurch.
Aber warum, fragte sich Shockley, hatte Peter Mason diesen Wahnsinn begangen? Immer wenn er daran dachte, erinnerte er sich an den Tag einige Monate zuvor, als er den Messerschmied bei der Verbrennung der drei Ketzer so seltsam ins Leere hatte starren sehen. Hatte er da den Entschluß gefaßt? Peter Mason sagte es nicht.
Der Messerschmied hatte den Zeitpunkt gut gewählt. Shockley war dabei.
Er würde nie vergessen, wie an jenem Morgen in der Kirche plötzlich die Hostie erhoben wurde und der ruhige Peter Mason plötzlich zum Altar ging. Vorne wandte er sich um. Der Priester und die Meßdiener wurden unruhig. Dann sagte Peter Mason, der ziemlich mitgenommen und blaß dreinsah, ein paar Worte. Shockley versuchte, ihn zu verstehen. In den vorderen Reihen gab es eine erschrockene Reaktion. Da stand er, sehr still, mit seltsam fragendem Lächeln, und wartete. Nach einer Weile befahl der Priester zwei Männern, ihn hinauszuführen.
Peter Mason hatte die Transsubstantiation geleugnet. Wenige waren in der Ketzerverfolgung eifriger als Bischof Capon und sein Sekretär; doch selbst sie schienen zu zögern. Eine Woche lang geschah nichts, und in Salisbury ging das Gerücht, daß Peter Mason ein bißchen wirr im Kopf geworden sei.
Edward Shockley war beunruhigt. Er besuchte Peter einmal in seiner Werkstatt und beschwor ihn, die Herausforderung nicht zu wiederholen, worauf Peter nur mit dem gleichen abwesenden Lächeln antwortete, woraus nicht zu ersehen war, ob er verstanden hatte oder nicht. Als Peter jedoch am nächsten Sonntag, nachdem er auf dem Friedhof St. Edmund gewesen war, in der Kathedrale seine Erklärung vor dem Bischof wiederholte, konnte es keinen Zweifel mehr geben. Es war eine offene Herausforderung.
Abends wurde er von dem Büttel abgeholt. Die Priester befragten ihn ernsthaft, ob er die Transsubstantiation leugne – er bejahte. Ob er die oberste Herrschaft und Autorität des Papstes anerkenne? Er schüttelte ruhig den Kopf. Ob er das Fegefeuer, die Kraft heiliger Reliquien leugne, ob er sich weigere, die Augen zu Ehren der Hostie zu erheben? Er leugnete all diese Lehren. Die Priester behandelten ihn gerecht. Ob er widerrufen wolle? Nein. Es konnte nur ein Urteil folgen. »Wir halten dich für einen Toren, Peter Mason. Bedenke, daß du dem Tod entgehen kannst, wenn du
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