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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Oberhoheit unter der Bedingung zustimmen, daß kirchliche Ländereien, die König Heinrich übernommen hatte und die jetzt im Besitz des Parlaments waren, nicht wieder zurückgingen – eine opportunistische Habgier, die den Kardinal empörte. Was den Erfolg der Protestanten in England betraf, so warf Pole dem englischen katholischen Klerus offen vor, daß er hauptsächlich dessen eigene Schuld sei: Wenn die katholische Geistlichkeit ihre Pflicht nicht dermaßen vernachlässigt hätte, hätten die Menschen mehr Respekt von der römischen Kirche bewahrt. Jetzt jedoch bedurfte es der Tat. Die erste Aufgabe war es, in jede Gemeinde einen würdigen Priester zu senden.
    Der Priestermangel war chronisch; sogar der erlauchte Kardinal Pole konnte das nicht unverzüglich ändern. In religiöser Hinsicht war die katholische Reform Königin Marias keine eindeutige Sache. Aber einiges konnten die Königin und der Kardinal tun: Wenn sie schon keine starken Katholiken zur Verfügung hatten, so konnten sie doch wenigstens Ketzer entfernen und ausschalten; seit Ende 1554 steuerten sie diesen Kurs.
    Es waren dunkle Jahre, sowohl für die Königin als auch für ihre Untertanen. Durch eine Scheinschwangerschaft gepeinigt, wo sie doch nichts in der Welt so ersehnte wie ein Kind, wurde ihre Lage durch die Kälte ihres Gemahls Philipp noch verzweifelter, der bald öfter für lange Zeit auf dem Kontinent verschwand; die Regentschaft der Bloody Mary war in Unglück getaucht.
    Während der Protestantenprediger John Knox von außerhalb des Reiches donnernde Reden schwang, daß gute Engländer ihre Tyrannen stürzen sollten, vollzogen besagte Tyrannen ihre Schreckensarbeit. 1555 begannen die Verbrennungen. Bei der Nachricht, daß zwei der bedeutendsten Bischöfe, Latimer und Ridley, öffentlich verbrannt wurden, konnte Shockley nur verzweifelt den Kopf schütteln. Im folgenden Frühling bewegte ein anderes Ereignis die Herzen vieler Engländer noch tiefer.
    Der arme Erzbischof Cranmer, Autor des englischen Gebetbuches, hatte ehrliche Zweifel. War es richtig gewesen, den Heiligen Vater in Rom abzulehnen und an seiner Stelle den schrecklichen Heinrich VIII. zum Oberhaupt der Kirche zu ernennen? War es richtig gewesen, die Lehre vom Fegefeuer, von der Transsubstantiation und alles andere abzulehnen, worüber sogar unter den Angehörigen der Reform Meinungsverschiedenheit herrschte? Hatte er selbst sich vielleicht geirrt? Sie wollten nicht nur seinen Tod, sondern sein Geständnis. Sie ließen ihn einen Monat warten; sie schürten seine Zweifel; sie argumentierten mit ihm, laugten ihn aus, prüften ihn, griffen ihn an. Und sie zerbrachen ihn.
    Edward Shockley stand auf der Fisherton Bridge, im Gespräch mit Peter und Abigail Mason, als ihnen ein Passant berichtete: »Cranmer hat widerrufen. Hat das Dokument mit eigener Hand unterzeichnet – sagt, daß er sich in allem geirrt hat!«
    Einen Augenblick sahen sich die drei fassungslos an. Edward sprach als erster: »Jetzt, wo sie bekommen haben, was sie wollten, werden sie ihn verbrennen.« Seine Stimme klang bitter. Doch Abigail sagte nur: »Er war schwach. Wir werden nicht mehr von ihm sprechen.« Dann ging sie, und die beiden Männer wußten, daß ihre stumme Verachtung auch ihnen galt.
    In seiner Erinnerung blieb der März des Jahres 1556 für Edward Shockley als eine blutige Zeit. Als erster wurde der reizbare Lord Stourton hingerichtet, der vor Pembrokes Tor seine Verwünschungen ausgestoßen hatte. Dafür, daß er seinen Dienern befohlen hatte, einen Mann aus Wiltshire namens Hartgill zu töten, wurde er auf dem Marktplatz von Salisbury mit einem Seil aus Seide gehängt. Die Diener wurden mit einfachen Hanfseilen gehängt. Die Menge empfand dies als ein unterhaltsames Schauspiel.
    Die zweite Hinrichtung war alles andere als das. Bischof Capon war tätig gewesen. Obwohl die Verfolgungen in den protestantischen Hochburgen London und in den östlichen Grafschaften am heftigsten waren, wollte der Bischof in seiner eigenen Diözese in seiner Pflicht der Königin gegenüber nicht nachstehen. Bald hatte er Glück. Drei eigensinnige Männer aus der Gemeinde von Keevil – ein Schneider, ein Steinmetz und ein Landarbeiter –, die Tyndales englische Bibel gut kannten und Teile daraus auswendig zitieren konnten, waren töricht genug, ihrem Priester zu sagen, daß das Fegefeuer Humbug sei.
    Diese Unverschämtheit bedurfte näherer Untersuchung. Capon befragte sie unverzüglich. Ihre Antworten ließen

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