Sarum
keinen Raum für weiteren Zweifel. In seiner Gegenwart bezeichneten sie den Papst als Antichristen, leugneten die Transsubstantiation ab und nannten die Messe einen Götzendienst.
Ein paar Tage später, bald nachdem bekannt war, daß Cranmer selbst verbrannt worden war, wurden die drei Männer von Wiltshire, bis aufs Hemd entkleidet, in dem Feld außerhalb von Fisherton vorgeführt. Sie durften sich alle drei zusammen hinknien und beten. Dann kamen sie auf den Scheiterhaufen. Nur Edward Shockley hatte dem furchtbaren Ereignis beigewohnt. Katherine hatte es vorgezogen, zu Hause für die drei Männer zu beten.
Aber nicht die Opfer hatte Edward Shockley an diesem grausamen Frühlingstag staunend betrachtet, sondern Peter Mason: Dieser stand mit halboffenem Mund neben seiner Frau und starrte seltsam erregt vor sich hin, als erlebte er gerade eine Vision. Als die Zeit verstrich und die drei Unglücklichen starben, blickte Shockley wiederholt durch den Rauch zu Peter, und jedesmal sah er ihn in seltsamer Ekstase, wie von der Menge abgesondert.
Kapitän Jack Wilson war ein gutaussehender Vierziger und fuhr seit dreißig Jahren zur See. Schön im üblichen Sinne war er nicht. Er hatte drei Zähne verloren, man sah aber nur eine Zahnlücke. Sein langes, verfilztes schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Aber seine lässige Art übte eine magnetische Anziehungskraft aus; wenn er sich im Gasthaus, auf seinem Stuhl zurücklehnte und sich in ganzer Länge räkelte, strahlte er eine katzenhafte Kraft aus, die den Frauen zeigte, daß ihm die Jahre nichts hatten anhaben können.
Als Nellie Godfrey Jack Wilson zum erstenmal sah, beschloß sie, ihn zu heiraten.
In Bristol war es ihr wohl ergangen, besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. Dank ihrer Ersparnisse und Shockleys Geschenk hatte sie ihr Leben in dem geschäftigen Hafen sorgfältig geplant und sich eine Weile umgesehen, bevor sie einen Gönner fand. Dabei hatte sie ausgesprochenes Glück: Sie fand einen reichen verwitweten Kaufmann, der zunächst keine Ehefrau wollte, sondern eine Mätresse, für die er in einer Wohnung gut sorgte. Er war ein rauhbeiniger stämmiger Mann mittleren Alters mit rotem Gesicht – und einem großen Geldbeutel. Sie tröstete und erregte ihn. Der Kaufmann zeigte sich großzügig. Sie hatte sich mit ein paar Frauen angefreundet. Abgesehen davon blieb sie für sich und sparte ihr Geld. Es ist ein Anfang, dachte sie. Ich hatte Glück.
So war es – aber nicht genug, eine leise Stimme riet ihr, ihrem Bruder zu schreiben. Eines Tages, sagte sie sich, werde ich ihm schreiben, daß ich verheiratet bin.
Natürlich kam es nicht in Frage, daß der Kaufmann sie heiraten würde. So etwas würde ein reicher Bürger der Stadt niemals tun. Und in Wahrheit hatte sie auch gar nicht den Wunsch. Aber welcher Mann würde sie heiraten? Und wenn sie sich das fragte – mit welchem Mann würde sie selbst es auf die Dauer aushalten?
Wilson war im Alter von zehn Jahren trotz der Proteste seiner Mutter von seinem Vater zur See mitgenommen worden. Dem Schiffseigner sagte der Vater, daß der Junge sich nützlich machen oder über Bord geworfen würde. Er hatte sich nützlich gemacht. Sein Großvater stammte, soweit er wußte, aus Sarum. Er war als erster zur See gefahren und mit der Zeit Kapitän eines kleinen Schiffs geworden. Er erinnerte sich gut an den alten Will Wilson – ein kleiner, aber kräftiger Mann, der sich durch nichts erschüttern ließ.
Als Nellie ihn im Wirtshaus sah, war Jack Wilson bereits ein erfolgreicher Mann. Er hatte nie geheiratet, obwohl er in London, Bristol und Southampton zahlreiche Kinder hatte. Bei den jeweiligen Geburten beschenkte er die Mütter reichlich mit Geld, dann kümmerte er sich nie wieder um sie.
Genau dieser, dachte Nellie, als sie ihn im Wirtshaus beobachtete, ist mein Mann.
Sie brachte in Erfahrung, daß er eine Woche bleiben würde und dann geschäftlich nach London gehen mußte, also hatte sie rasch zu handeln. Schon nach einer Stunde war sie im Gespräch mit ihm. Sie machte ihm keinerlei Avancen, sondern erkundigte sich nach seinen Unternehmungen und überraschte ihn durch ihr Wissen über die Handelsangelegenheiten des Hafens. Das hatte sie dem Kaufmann zu verdanken. Bald fand sie heraus, daß er beabsichtigte, mit seinem kleinen Schiff in die Ostsee zu segeln. Es gebe dort eine neu gegründete Rußland-Gesellschaft, wollte er ihr erklären.
»Ich weiß«, unterbrach sie ihn und lieferte ihm nicht nur
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