Sarum
Mädchen. Ein paar tranken weiter. Die übrigen begaben sich an die Kartentische.
Er blieb allein. Es hatte ihn wie ein Schlag getroffen, daß Wilson ihn offenbar wegen seiner Armut verachtete. Er konnte es ihm zwar nicht verübeln, dennoch lehnte sich etwas in ihm dagegen auf. Was diese Unbekannten auch von ihm dachten, er war schließlich ein Gentleman aus Sarum, ritterlicher Abstammung. Seit der Schlacht von Palasi hatte er ja auch etwas Geld. Er wollte keines Menschen Vasall sein. Adam trat an einen Kartentisch und sah schweigend zu. Als ein Spieler nach einer Weile aufhörte und man ihn fragte, ob er beim Whist mitspielen wollte, nickte er. Einer sah ihn zweifelnd an und fragte, ob er gern verliere. Da bemerkte er großspurig: »Ich habe noch Geld aus Palasi.« Der andere zuckte nur die Achseln.
Am nächsten Morgen, als Adam Shockley im klaren Tageslicht seine Rechnung machte, stellte er fest, daß er vierhundertzwanzig Pfund verloren hatte. Seit Palasi hatte er dreißig Pfund ausgegeben, also blieben ihm noch fünfzig.
Er fand sich damit ab – ein Gentleman muß seine Spielschulden begleichen. Ich brauche wieder eine Schlacht, dachte er. Bedauerlicherweise wurde das 39. Regiment kurz darauf nach Irland zurückberufen.
1767
Leutnant Shockley blickte zuerst Madame Leroux an, dann schaute er gedankenverloren aufs Meer hinaus – auf den Punkt am Horizont, der das englische Postboot sein mußte. Wenn das Schiff gute Nachrichten brachte, würde er sie heiraten, ungeachtet der Widerstände im Regiment.
Sie hatte keine Ahnung. Er hatte ihr erlaubt, ihre Abreise vorzubereiten.
Im Jahre 1767 war Leutnant Adam Shockley, der nicht mehr dem 39. sondern jetzt dem 62. Infanterieregiment angehörte, ein gutaussehender zweiunddreißigjähriger Mann mit breiter Brust, schütterem hellem Haar und wettergebräuntem Gesicht. Er wurde als verläßlicher, ausgeglichener Offizier geschätzt, den die Jüngeren gern um Rat fragten.
Seit vier Jahren lebte er auf der schwülen Insel Dominica in jenem Teil Westindiens, der später Karibik genannt wurde. Seit fast einem Jahr erfreute er sich der Gesellschaft Madame Leroux’. Sie war eine seltsame Frau; ihr Mann, durch einen Freibeuter auf dem Meer umgekommen, war französischer Kaufmann gewesen, und somit war sie Französin, soweit man bei ihr überhaupt von Nationalität sprechen konnte. Shockley schätzte sie zwischen fünfundzwanzig und dreißig. Ihre Rasse war noch unbestimmbarer. Sie hatte blasse Haut, und ihr fast weißes Haar hatte eine kurze Naturkrause. Es hieß, sie habe Negerblut. Sie war ein besonderes Geschöpf von katzenhafter Sinnlichkeit. Obwohl die Franzosen die Insel an die Briten verloren hatten, bemühte sie sich nicht, ihr gebrochenes Englisch aufzubessern, und sie strafte die neue Besatzung grundsätzlich mit schweigender Verachtung. In den warmen Nächten hatte Adam eine grenzenlose sexuelle Leidenschaft erlebt, und tagsüber hatte er sich an ihrem sanft spöttischen Humor ergötzt, auch wenn sein Französisch nur mittelmäßig war. Überhaupt – was blieb ihm denn sonst? Er wäre nicht der erste arme englische Offizier auf einem tropischen Außenposten, der eine ausländische oder unpassende Frau heiratete.
An die Schlacht von Palasi hatte sich eine einzige Siegesserie der Engländer angeschlossen. Wolfe hatte Quebec erobert und den Engländern zu Kanada verholfen. Die letzten Schlachten des Siebenjährigen Krieges in Europa waren geschlagen und gewonnen worden. Der Tod eines Offiziers hohen Ranges in Minden hatte Adam die Chance gegeben, auf dem Schlachtfeld zum Leutnant befördert zu werden. Danach jedoch hatte es wenig Gelegenheiten für Beförderung oder finanziellen Vorteil gegeben. Die Offizierspatente – Oberleutnant oder Hauptmann – wurden gewöhnlich von reichen jungen Männern des Gardekorps weggeschnappt. Kurz nach der Thronbesteigung des neuen Königs, Georg III. war Adam, in der Hoffnung auf Kampf und Ehren in Westindien, zum 62. Regiment übergewechselt, hatte jedoch von beidem wenig gesehen, Nach seiner Ankunft dort war bedauerlicherweise seine Mutter gestorben. Sein Vater schrieb ihm traurig davon und bereitete ihn darauf vor, daß ihm zwar ein geringes Erbe aus Geschäftsbeteiligungen der Familie zustehe, daß es jedoch noch lange bis dahin dauern könnte und daß es jedenfalls nur ein kleiner Betrag sei.
Zu seiner Überraschung erfuhr er noch im selben Jahr von der Wiederverheiratung Jonathans – seine zweite Frau war bereits
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