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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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als Kind oft dort gewesen. Er liebte das schöne Haus, den weitläufigen Park und vor allem die kleine Kirche in dem Weiler unterhalb. Darin hatte er mit Vorliebe den offenen Kamin vor der prächtigen Kirchenbank von Sir George untersucht und den großen Bronzeschürhaken, mit dem der Sir rasselte, wenn er fand, daß der Kurat zu lange predigte.
    Sein Vater hatte ihm den Zweck des Besuches nicht verraten, aber Adam nahm an, das Ganze habe mit seiner Laufbahn zu tun, und so benahm er sich möglichst untadelig. Die gewährte Unterredung war kurz.
    Während Jonathan den Wunsch seines Sohnes, in Indien zu kämpfen, erläuterte, spürte Adam den kalten Blick des Baronets auf sich ruhen. Aber es war unmöglich, seinem Gesicht zu entnehmen, was er dachte. Nach ein paar Fragen wurde Adam kurzerhand entlassen, während sein Vater noch eine Weile bei Forest blieb. Danach, so meinte Adam, sah der Vater müde aus.
    »Es ist geregelt«, sagte er. »Forest hat mir ein Empfehlungsschreiben für ein Regiment mitgegeben; ich glaube also, daß wir dich dort unterbringen.«
    Im Frühherbst 1753 nahmen Jonathan Shockley und sein Sohn am Gasthaus Black Horse eine Postkutsche, die berühmte Flugmaschine, die sie in einem einzigen Tag auf der Zollstraße nach London brachte. Das Abenteuer begann.
    Endlich war Mr. Adam Shockley Fähnrich des 39. Infanterieregiments. Die Uniform war das Schönste, was er je gesehen hatte: ein langer, scharlachroter Uniformrock, grün eingefaßt und mit weißer Spitze verziert, eine scharlachrote Weste und Kniehosen, weiße Gamaschen, weiße Krawatte, Ledergürtel.
    Er würde nie jene freudige Erregung vergessen, die ihn erfüllte, als er sich zum erstenmal im Spiegel betrachtete – es war bei jenem Londoner Schneider, zu dem sein Vater ihn stolz geführt hatte.
    Nun empfand Adam sich als Mann: Ein Dutzend Goldknöpfe glänzten auf seiner Brust, und sein Haar war seitlich in Wülste gelegt und hinten von einem Band zusammengehalten.
    Sein Vater beobachtete ihn und wandte sich dann ab, um seine Gefühle nicht sehen zu lassen: Wahrscheinlich würde er den Jungen nie wiedersehen.
    Die Tage waren wie im Fluge vergangen: erst der tränenreiche Abschied von seiner Mutter, die Reise auf den neuen, breiten zollpflichtigen Straßen, die denkwürdige Ankunft in London – abgesehen vom Stadtkern bestand die Stadt aus verstreuten Dörfern und eleganten Parks; dann die Suche nach einem Gasthaus, verschiedene Verabredungen seines Vaters mit zahlreichen Gentlemen in überfüllten Kaffeehäusern. Es war, als führte der Weg zur Aufnahme in ein Regiment über lange, geflüsterte Gespräche, über Unterredungen, die Adam nicht verstand, und die Übergabe des Empfehlungsschreibens von Sir George Forest. Und man brauchte Geld.
    Fähnrich in einem Infanterieregiment Seiner Majestät zu werden kostete vierhundert Pfund. Und dies war nur der niedrigste Offiziersrang. Ein Leutnantspatent kostete fünfhundertfünfzig Pfund; für einen Hauptmannsrang zahlte man eintausendfünfhundert Pfund; für dreitausendfünfhundert Pfund konnte ein Gentleman einen Oberstleutnantstitel erwerben; und ein junger Mann aus vermögender Familie, die dem König bekannt war, konnte mit zwanzig Jahren bereits General sein.
    Die vierhundert Pfund wurden dem Oberbefehlshaber der Gardekavallerie bezahlt.
    Zwei Tage lang liefen Adam und sein Vater durch London. Sie sahen die ehrwürdige Westminster Abbey, die Versammlungshalle des Parlaments, den Königspalast und das dichte, von geschäftigem Treiben erfüllte Straßennetz um die prachtvolle St.-Pauls-Kathedrale von Christopher Wren.
    Aber in seinen Gedanken war Adam schon in weiter Ferne. In ein paar Wochen sollte das 39. Regiment aus seinem Quartier in Irland ins ferne Madras segeln – und er würde dabeisein. Sein Vater hatte ihm allerdings etwas verschwiegen.
    1758 Adam Shockley saß in der kleinen Hütte. Draußen brannte die Sonne nicht mehr so erbarmungslos auf den Platz vor dem Ausbildungslager herunter. Er hatte eine Verabredung, auf die er sich freute: Er war bei Fiennes Wilson zum Essen eingeladen, und das war immer eine großartige Sache. Er schloß die Augen halb und ließ im Geist die Ereignisse der letzten Jahre an sich vorbeiziehen. Es war wirklich eine außergewöhnliche Zeit gewesen, ein Triumph für das kriegführende England und Pitts kühne Außenpolitik: zuerst die sechsmonatige Seereise nach Madras; dann die Begegnung mit dem gewaltigen, brodelnden indischen Subkontinent; seine

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