Sarum
schwanger. Von seinem Erbteil war nicht mehr die Rede, und er hatte nicht den Mut, seinen Vater danach zu fragen.
So hatte er sich auf der üppigen Tropeninsel Dominica für einige Jahre Garnisonsdienst niedergelassen, wo die einzige militärische Aktion im Exerzieren bestand und die einzigen Verwundungen von Tropenkrankheiten wie Malaria herrührten.
In dieser erzwungenen und entnervenden Muße hatte Adam Shockley – vor seiner Beziehung zu Madame Leroux – nur zwei Lichtblicke. Der eine war die Korrespondenz mit seinem Vater. Jonathan Shockley war ein guter Briefschreiber. Er hielt Adam auf dem laufenden, was Sarum anbelangte; über den Niedergang des Tuchhandels und den Skandal des jungen Lord Pembroke, der vorübergehend seine Frau verlassen hatte. Er gab ihm oft auch nützliche Informationen über allgemeine politische Angelegenheiten. Vor allem aber verhalf er seinem Sohn zu seinem zweiten Vergnügen: Adam fand Geschmack an Lektüre. »Ich habe mich der Bildung spät zugewandt«, gestand er einem anderen Leutnant, »aber tatsächlich macht mir das Lernen erst jetzt Spaß.« Bald verwandte er die Hälfte seines Soldes für Bücher, die ihm Jonathan schickte.
Madame Leroux war jetzt fast seit einem Jahr seine Geliebte. Aber, so gestand sie ihm, es sei jetzt für sie an der Zeit, eine neue Ehe einzugehen. Und da auf Dominica dafür offenbar keine Aussicht bestand, wollte sie abreisen.
»Ich werde auf eine französische Insel gehen«, meinte sie mit traurigem Augenaufschlag.
Der Hinweis hätte nicht deutlicher sein können. Wenn er sie heiraten wollte, mußte er es nun sagen. Aber mit dem Gehalt eines Leutnants und ihrem winzigen Einkommen war nicht daran zu denken. Wenn er Hauptmann wäre, wäre es dagegen möglich. Und in Kürze würde eine Hauptmannsstelle frei. Sie kostete siebenhundert Pfund. Er hatte zweihundert gespart.
Unverzüglich schrieb er seinem Vater, um zu fragen, wieviel er vom Erbe seiner Mutter erwarten dürfe. Das Postschiff brachte ihm an diesem Morgen die Antwort.
Mein lieber Sohn,
Du fragst mit Recht, ob Dir von Deiner Mutter Geld zukomme. Ich wollte Dich in dieser Sache schon längst ins Bild setzen, gestehe aber, daß ich es in den letzten Jahren vergessen habe: Als Du damals das Offizierspatent für Indien wolltest, kostete diese Position vierhundert Pfund. Weder ich noch Deine Mutter sagten Dir, daß wir diese Summe nicht zur Verfügung hatten; wir liehen sie von Sir George Forest, der uns aufgrund seiner guten Meinung von Dir ein zinsloses Darlehen unter der Bedingung gab, daß es beim Dahinscheiden eines von uns zurückgezahlt werden müsse.
Deine Mutter hatte fünfhundert Pfund von ihrer Familie geerbt. Daher habe ich Sir George Forests Darlehen von vierhundert Pfund zurückgezahlt, und die restlichen hundert Pfund, mein lieber junge, stehen Dir zur Verfügung. Laß mich bitte wissen, wie und wo Du sie erhalten möchtest.
Es grüßt Dich Dein Vater.
Zwei Wochen später fuhr Madame Leroux ab.
1777: 6. Oktober
Es war am Vorabend der Schlacht. Links floß der Hudson, rechts standen einige verstreute Gebäude, Freemans Farm. Auf dem gegenüberliegenden, drei Kilometer entfernten Hochland lag Gates, und dort befanden sich die amerikanischen Rebellen. Acht Meilen hinter ihnen lag Saratoga. Der Ort vor ihnen hieß Stillwater. Hauptmann Adam Shockley war nervös. Der Kernpunkt des im wesentlichen realistischen Plans, wegen der Unfähigkeit des inkompetenten Lords North und seiner Minister von George III. selbst entworfen, war folgender: General Howe und sein großes Heer sollten von Süden her, General Burgoyne von Kanada kommen. Sie sollten die amerikanischen Rebellen zur Ostküste hin in die Enge treiben. Howe war in Philadelphia aufgehalten worden. Der Plan war bereits teilweise gescheitert, und die Streitmächte warteten mit wachsender Verzweiflung in Stillwater auf General Clinton, der mit dringend benötigtem Nachschub durch Albany kommen sollte.
Hauptmann Adam Shockley war nur durch einen unglücklichen Zufall dabei.
Als die Handvoll Offiziere und fünfundsiebzig verbleibenden Einheiten nach überstandenen Tropenkrankheiten im Jahre 1769 nach Irland zurückgekehrt waren, um wieder zu Kräften zu kommen, hatte Adam Shockley Malaria. Durch die Heimreise und die Ruhe im Quartier erholte er sich, aber mit fünfunddreißig glaubte er sich bereits im mittleren Alter. Trotzdem warb er Rekruten an und trainierte seinen Körper. Er ging spazieren, ritt, trank wenig, und obwohl er
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