Sarum
sondern sie nur reformieren wollen und Predigt sowie Taten nach Gottes Wort fördern möchten. Ich hoffe, daß Euch dies nicht verletzt?«
»Absolut nicht«, versicherte Shockley.
Das Gespräch drehte sich jedoch nicht nur um Religion. Benjamins Kinder waren so interessiert an der Perücke des Hauptmanns wie ihr Vater an Amerikas Religion. Adam nahm die Perücke kurzerhand ab und erzählte, daß seine Schwester darauf bestanden hatte, sie für ihn zu kaufen.
Die ganze Zeit über saß Eli Mason zufrieden auf einem einfachen Holzstuhl an der Tür; auch wenn er sich nicht an der Unterhaltung beteiligte, beobachtete er doch alles wohlgemut. Mary hatte sittsam neben ihrer Schwägerin Platz genommen, sah Adam mit stillem Lächeln an und überließ die Unterhaltung ihrem Bruder Benjamin. Mary trug ein einfaches, graues Kleid; das leicht pockennarbige, aber nicht unattraktive Gesicht erhellte sich ab und zu in einem Lächeln, meist jedoch blieb es unbeweglich wie ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. Adam gefielen ihre grauen Augen, die sie häufig gesenkt hielt. Das hellbraune Haar war gekraust.
»Und was macht Eure Schwester?« fragte er mit höflicher Verneigung zu Mary hin.
»Sie kümmert sich um Haus und Geschäft, Hauptmann Shockley«, antwortete der Kaufmann lachend. »Sie ist die praktisch Veranlagte der Familie, nicht wahr, Mary?« Mary lächelte nur.
Im folgenden Monat begegnete Adam Eli Mason einige Male im Kaffeehaus; einmal wurde er zu einer Besichtigung der Druckerei eingeladen, wo er den kleinen Mann beobachtete – in vollem Einsatz bei der Arbeit zwischen den großen Schrifttypen, die er von einem Stuhl aus erreichen konnte.
Ein paarmal suchte Adam auch Benjamin Mason auf und plauderte eine Weile mit ihm. Er stellte fest, daß der Methodistenkaufmann über vieles gut informiert war, und jedesmal sprachen sie angeregt über die Neuigkeiten aus Amerika. Sosehr ihm an den Gesprächen lag, er mußte sich eingestehen, daß er vor allem wegen Mary Mason kam. Sie gesellte sich nur manchmal zu ihnen; dann aber wandte sich Benjamin oft an sie, um sie um ihre Meinung zum Thema zu fragen, und obwohl sie ihre Antworten immer ruhig äußerte, fielen Adam ihr kluges Urteil und ihr trockener Humor auf.
Eines Tages wurde der Kaufmann aus einer solchen Unterhaltung weggerufen, und Adam blieb noch eine halbe Stunde, plauderte angeregt mit ihr und beantwortete ihre Fragen über sein Leben. Sie hatte nicht das gezierte Gehabe jener Frauen, die er in der höheren Gesellschaft traf. Wahrscheinlich hätte sie laut gelacht über derlei Affektiertheit und hätte den Tadel, es sei unzeitgemäß, eigene Meinungen zu äußern, einfach übergangen.
Einmal traf er Mary zufällig auf dem Feldweg von Salisbury zu dem Dörfchen Harnham. Sie gingen gemeinsam dorthin, bewunderten die friedliche Mühle und den Mühlbach und schlenderten dann zusammen zur Stadt zurück. Adam genoß den Spaziergang, den er von nun an fast täglich wiederholte, wobei er ihr häufig begegnete. Einmal kam ihm der Gedanke: Wenn ich Geld hätte – wer weiß, ob ich sie nicht heiraten würde. Er erlaubte sich nicht, den Gedanken auszuspinnen. Du bist zu arm und zu alt, redete er sich ein.
Die folgenden Wochen blieb die Frage nach Adams Lebensunterhalt weiterhin ungelöst. Obwohl er gerne mit seinem Vater und den Geschwistern im Haus der Familie wohnte, war er doch ruhelos.
Da kam am 30. Mai 1779 Sir Joshua Forest nach Sarum. Joshua Forest war Anfang Dreißig, mittelgroß; sehr dunkel, sehr schlank, mit langer, gebogener Nase und schmalen Händen. Er brachte jedermann eine ausgesuchte Höflichkeit entgegen. Sir Joshua wollte einen Monat in Sarum bleiben.
»Er hat soeben einen Diener geschickt«, teilte Jonathan Adam mit, als dieser am Morgen von einer Kaffeehausunterhaltung mit Eli zurückkam, »um dich für heute zum Dinner einzuladen.« Er sah seinen Sohn gedankenvoll an. »Wenn du deine fünf Sinne beisammenhältst, könnte es dein Vorteil sein«, fügte er hinzu.
Um vier Uhr nachmittags sprach Hauptmann Adam Shockley im Hause von Baronet Sir Joshua Forest vor. Normalerweise wurde bereits um drei gespeist, aber bekanntermaßen dinierte Sir Joshua gerne spät. Das Haus von Sir Joshua Forest lag an der gegenüberliegenden Seite des Kathedralgeländes. Es war ein großes, rechteckiges Ziegelgebäude, ein Teil der Fassade bestand aus grauem Stein. Eine Kiesauffahrt führte zwischen Rasen zum Haus. An einer Seite verlief ein Weg hinter einer
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