Sarum
nicht, ob ich das machen werde. Manche Leute raten mir ab.«
Shockley hatte gehört, daß im Norden mit seiner Milch- und Käseproduktion viel Land umzäunt wurde. Ein Landbesitzer mußte einen Parlamentsbeschluß beantragen, um auf diese Weise Gemeindeland übernehmen zu können. Es war sehr einfach, diese Genehmigung zu erhalten. Manche protestierten, weil dadurch arme Landwirte vertrieben wurden, sie konnten jedoch nicht leugnen, daß die neu umzäunten Gebiete gewöhnlich ertragreicher waren.
»Was denkt Ihr darüber, Hauptmann Shockley?« fragte Forest. Es war eine Falle. Adam hatte dem Wein reichlich zugesprochen, dennoch sah er die Sache sonnenklar. »Ich glaube, die Veränderung ist unumgänglich«, antwortete er. Und in Erinnerung an eine lange, informative Unterhaltung, die er darüber kürzlich mit Benjamin Mason geführt hatte, fügte er hinzu: »Es gibt noch eine Erwägung, die Ihr nicht erwähnt habt. Viele kleine Landwirte verdienen das Geld, das sie zusätzlich zum Überleben brauchen, indem ihre Frauen und Töchter spinnen. Jetzt kommt eine neue Erfindung in Gebrauch – die mechanische Feinspinnmaschine. In dieser Grafschaft gibt es bereits einige davon. Sobald sie allgemein benutzt wird, sind die Spinnerinnen arbeitslos. Wenn die kleinen Landwirte nicht überleben können, beanspruchen sie auch das Gemeindeland nicht, und es gibt keine Einwände mehr gegen die Umzäunung. Ich bedaure das«, gab er zu, »weil es mir leid tut, eine Lebensform verschwinden zu sehen, die mir seit Kindheit vertraut ist. Aber es wird sich nicht vermeiden lassen.« Er hielt einen Moment inne, ehe er fortfuhr: »Was Eure Frage anbelangt – Umzäunung oder nicht. Ich meine, daß jeder Mensch nach seinem Gewissen handeln muß. Wenn Ihr dadurch einem Menschen schadet, könnt Ihr ihn ja entschädigen.« Adam schwieg. Die Wirkung seiner Antwort war verblüffend. Aller Augen waren bewundernd auf ihn gerichtet.
Schließlich ergriff Forest das Wort. »Das ist fürwahr die vernünftigste Rede, Sir, die ich in meinem Leben je gehört habe.« Da wußte Adam, warum er sich selbst verachtete für das, was er gesagt hatte, auch wenn alles seine Richtigkeit hatte: Er hatte gesprochen wie ein Politiker. Er hatte genau das gesagt, was sie hören wollten. Wenn Forest die Pacht erhöhen oder den Pächter aus dem Vertrag entlassen wollte, konnte er tun, was ihm beliebte, in dem sicheren Gefühl, nur seinem Gewissen eine Antwort schuldig zu sein. Adam hatte den Eindruck, daß die Tischrunde irgendwie erleichtert war. Falls es sich um eine Prüfung gehandelt hatte, so hatte er sie bestanden. Zum Abschluß gab es Aprikosen- und Stachelbeertörtchen, Pudding und eine Nachspeise mit Biskuit. Für jene, die etwas Deftigeres bevorzugten, gedünstete Pilze. Und nochmals wurde Wein gereicht.
»Geht Ihr gern auf die Jagd, Hauptmann?« fragte der Geistliche. »Zur Zeit nicht«, gestand Adam.
»Die Fuchsjagd ist der beste Sport, den es gibt«, sagte der Geistliche leutselig. »Lord Arundel hat eine ausgesuchte Jagdhundmeute, Südwest-Wiltshire-Rasse, kaum zwanzig Meilen von hier entfernt. Vielleicht kommt Ihr in der nächsten Saison einmal mit.« Das letzte Dessert wurde aufgetischt: Melone, Orangen, Mandeln und Rosinen. Karaffen mit Portwein kamen auf den Tisch. Die Gesellschaft war zufrieden. Nach dem zweiten Glas Port wurde deutlich, daß Forest und der Geistliche die klarsten Köpfe behielten, doch Adam hielt Schritt mit ihnen.
»Kürzlich habe ich mich lange mit einem Methodisten unterhalten«, sagte er zu dem Geistlichen. »Was haltet Ihr von ihnen?«
»Es sind Enthusiasten«, unterbrach das jüngere Parlamentsmitglied, »wie alle Reformer. Es ist nur ein winziger Schritt vom Enthusiasten zum Fanatiker.«
Beim dritten Glas Port überfiel Adam plötzlich jenes Gefühl der Unwirklichkeit, das einem klugen Mann rät, kein viertes zu trinken. Nun kam das Gespräch auf die Philosophie.
»Aristoteles ist mir zu hart, zu trocken«, flötete der Geistliche. »Ich bin für Männer mit großen Ideen. Plato ist etwas ganz anderes. Ich bin für Bischof Berkeley. Alles existiert nur im Geiste. Nehmt ein beliebiges Objekt und sagt mir seine Form, Farbe, seinen Geschmack – all diese Eigenschaften bestehen allein in Eurem Geist. Existieren heißt sichtbar sein. Ohne Eure Wahrnehmung, postuliere ich, ist kein Gegenstand existent.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte amüsiert in der Runde umher. »Ist irgend jemand hier nüchtern genug,
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