Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
niedrigen Mauer zum Wagenschuppen und den dahinterliegenden Ställen. An der Auffahrt standen bereits einige prachtvolle Kutschen; an der Tür der größten bemerkte Adam das kunstreiche Wappen der Forests. Ein Lakai mit gepudertem Haar öffnete die Tür, und Adam folgte ihm über den polierten schwarzweißen Marmorboden der Halle. Ein zweiter Lakai führte ihn durch eine große, weißgetäfelte Tür in den Empfangssalon.
    Darin befanden sich nur Männer: einige Landbesitzer aus der Gegend, ein geistlicher und offenbar wohlhabender Würdenträger, den er kannte; zwei andere Männer, die ihm ebenfalls fremd waren und vermutlich aus London kamen – und natürlich sein Gastgeber. »Willkommen, Hauptmann Shockley. Euer Besuch ist uns eine Ehre.« Die Beschreibung seines Vaters stimmte genau. Aber etwas hatte Jonathan Shockley nicht erwähnt, was Adam sofort auffiel, als ihm Sir Joshua in seinem kostbaren karmesinroten Gehrock aus Seide und Spitze entgegenging.
    Er war durch und durch ein Herr, hatte alles dafür Notwendige während einer vierjährigen Reise durch Italien und Frankreich sich angeeignet. Denn in Italien und Frankreich hatte Forest die schier undefinierbare aristokratische Kunst des 18. Jahrhunderts erlernt: vollendete Manieren. Sein Benehmen war dermaßen kunstreich, so geschliffen, daß man sich in seiner Gegenwart einfach wohl fühlen mußte. Ein gelegentliches Lächeln oder Stirnrunzeln konnte sich rasch und mühelos in gänzliche Gelassenheit zurückwandeln. Der Körper in der aufwendigen Kleidung wirkte wie eine Marionette. Es war das Auftreten eines Mannes, der das eigenständige Leben der aristokratischen Welt führte. Sir Joshua Forest machte Adam mit den anderen Gästen bekannt: Die Herren aus London waren Parlamentsmitglieder; der geistliche Würdenträger, ein großer, mächtiger Mann, der ein halbes Dutzend reicher Pfründen innehatte, äußerte einige freundliche Worte über Adams Tapferkeit im amerikanischen Krieg. Alles in allem gab die Gesellschaft Adam die Ehre der Unterhaltung, so als würde sie ihn schon ein Leben lang kennen. Kurz gesagt übte man die Kunst der Leutseligkeit, was aber nichts mit Herablassung zu tun hatte. Es war vielmehr die Kunst, einen Menschen durch vollendete Höflichkeit spüren zu lassen, daß man keineswegs auf ihn herabsah.
    »Wir werden Euch mit Fragen bestürmen, Hauptmann«, scherzte der Gastgeber.
    Bald gingen sie aus dem Salon mit der eleganten Stuckdecke in einen kleineren Raum.
    »Da wir ein kleiner Freundeskreis sind«, kündigte Forest an, »werden wir im grünen Zimmer speisen, meine Herren.« Es war ein kleiner Raum mit Blick auf die Gärten hinter dem Haus. Die Wände waren mit grünem Damast bespannt. In der Mitte stand ein schmaler Tisch unter einer schönen DeckenStukkatur, die den Schwan, eines der Familieninsignien, darstellte. Der Tisch war wunderschön gedeckt; als Mann von Zeitgeschmack hatte Forest Porzellan aus China kommen lassen; jedes Stück zeigte sein stolzes Wappen. Kostbares massives Silber und Kristallgläser rundeten das festliche Bild ab. Das Dinner war hervorragend. Zuerst gab es Fisch: einen großen Hecht, gebratene Seezunge und Forelle. Dazu wurde deutscher Weißwein gereicht.
    Forests Stolz war die Qualität seiner Tischgespräche, die er mit unaufdringlicher Konsequenz zu leiten pflegte.
    Das Gespräch begann locker; es ging um Angelegenheiten aus Sarum und der Grafschaft, um ortsansässige Parlamentsmitglieder. Dann gab es das Vorderviertel eines Lamms und einen guten Claret. Die Konversation wandte sich der Regierung und dem Krieg zu. Die Gäste wollten Adams Ansichten über Amerika kennenlernen. Er sprach offen über die andersgeartete Denkweise der Bewohner Amerikas. Er erzählte über den jungen Hillier, seinen Glauben an Tom Paines Pamphlet und die natürlichen Menschenrechte. Sie waren wie erstarrt. Als Adam geendet hatte, sagte einer der Herrn tonlos: »Mir paßt kein einziges Wort von dem, was Ihr gesagt habt, Hauptmann Shockley. Ich bin ganz gegen die politischen Ansichten dieser Leute. Aber Euch bin ich sehr dankbar, denn zum erstenmal seit fünf Jahren meine ich zu verstehen, was es mit dieser Sache Amerika wirklich auf sich hat. Jetzt glaube ich, daß unsere Sache dort verloren ist«, schloß er. Nun gab es gekochtes Hühnchen, Schweinekopf, Zunge und gegrilltes Kalbfleisch mit Trüffeln. Als Beilage reichte man Erbsen, Bohnen. Und wieder wurde ein neuer Wein kredenzt. Die Unterhaltung wandte sich der

Weitere Kostenlose Bücher