Sarum
gebracht.
Darüber befand sich ein Gitter, durch das er die schattenhaften Umrisse von vier Matrosen mit geladenen Musketen Wache schieben sah. In dem überfüllten Raum waren schätzungsweise dreißig Männer; einige waren schon am vorhergehenden Tag gefangen worden. Sie saßen eng aneinandergedrängt, und es herrschte ein fürchterlicher Gestank. In seiner Tasche hatte Peter noch den Ring; sicher würde bald jemand versuchen, ihn ihm wegzunehmen, also streifte er ihn an den seinen Finger. Was würde als nächstes geschehen? Wahrscheinlich trafen sie sich mit den andern Schiffen, wo es alle Arten von Männern gab: erfahrene Seeleute von den Handelsschiffen, Rekruten wie ihn und solche, die zur Kriegsmarine gegangen waren, um dem Arm des Gesetzes zu entgehen oder wegen irgendwelcher sonstiger Missetaten. Dann würden sie wohl auf die verschiedenen Schiffe verteilt werden. Wenn sie Glück hatten, bekamen sie vielleicht einen freundlichen Kapitän. Wenn nicht… Ein rücksichtsloser Kapitän konnte sich furchtbare Strafen für alle Arten von Vergehen ausdenken; Peter hatte von einigen hundert Peitschenhieben oder, schlimmer noch, vom Kielholen gehört, wobei man an einem Seil unter dem Schiff durchgezogen wurde, so daß, falls man nicht vorher ertrank, die am Schiffsrumpf sitzenden Muscheln einem das Fleisch vom Körper rissen.
Während er sich diese Schrecken ausmalte und daran dachte, daß er sein Heim und seine Braut verloren hatte, hörte er über sich eine Stimme: »Diese Kerls hier werden bei Buckler’s Hard an Land gebracht; dort wartet ein anderes Schiff.«
Peter kannte Buckler’s Hard; es war eine kleine Bucht, ein paar Meilen von Christchurch entfernt. Dort kam er, Gott sei’s gedankt, auf die Euryalus. Sie war ein kleines Schiff, ein Dreimaster mit sechsunddreißig Kanonen, in gutem Zustand. Der Kapitän war der ehrenvolle Henry Blackwood. Als Peter an Bord kam, spürte er sogleich, daß er Glück gehabt hatte.
Weil die Euryalus nur eine Fregatte war, hatte sie nichts von der Unpersönlichkeit der ungeschlachten Kolosse mit vierundsiebzig oder achtundneunzig Kanonen. Und der Kapitän war ein netter und schneidiger Kerl.
Peter lernte die Seemannskunst rasch, die knechtischen Pflichten wie etwa das Schrubben des Decks und die endlose aufreibende Arbeit an den Segeln, aber es machte ihm Spaß, in die Takelage und auf die Rahnocken zu klettern, die salzige Brise im Gesicht zu spüren, während er auf den Befehl wartete, die Segel loszumachen. Da er ausgezeichnete Augen hatte und gern dort oben war, wurde er oft als Beobachter in die Takelung geschickt.
Ein besonderer Umstand machte ihn zu einer Art Maskottchen der Besatzung. Als die Rekruten zum erstenmal antraten und der Kapitän Peter nach seinem Namen fragte, antwortete er: »Wilson, Sir«, und fügte hinzu: »Aus Christchurch.« Schallendes Gelächter.
»Verdammt!« schrie der Kapitän. »Nicht noch einer!« So erfuhr Peter, daß sich auf dem Schiff ein junger Leutnant zur See befand, Robert Wilson, der Sohn von Sir Wykeham Wilson, dessen Anwesen außerhalb von Christchurch lag. Er blickte den Jungen neugierig an – er war einige Jahre jünger als er, aber natürlich bereits Offizier. Er war ein großer, dunkelhaariger, gutaussehender Bursche, der anscheinend gut mit den anderen Offizieren und der Mannschaft zurechtkam. Am gleichen Nachmittag sprach er ihn an: »Wir Wilsons aus Christchurch müssen zusammenhalten«, sagte er mit einem freundlichen Grinsen. Von diesem Tag an rief der junge Leutnant, wenn er Dienst hatte und Peter hoch oben auf seinem Beobachtungsposten war, gewöhnlich hinauf: »Was siehst du, Wilson aus Christchurch?« Dieser harmlose, freundliche Spaß erleichterte Peter seine Gefangenschaft etwas.
Es war ein treffliches Schiff. Wenn Kapitän Blackwood ihn auch nie persönlich ansprach, bemerkte Peter doch, daß die Kommandos liebenswürdig und fachmännisch gegeben wurden. Er fühlte sich zwar oft einsam, aber er verzweifelte nicht. Jeden Morgen und jeden Abend faßte er nach dem Ehering an seinem kleinen Finger und murmelte: »Sie wird dasein, wenn ich zurückkomme.« Das tröstete ihn.
Die Fregatte war ständig im Einsatz, zuerst vor der irländischen Küste, dann unter Admiral Keith zur Beobachtung des Hafens von Boulogne. »Schlaf um Himmels willen nicht ein, wenn du da oben Wache hältst«, mahnte Robert Wilson ihn einmal in ernstem Ton. »Wenn Bonie seine Armee je aus dem Hafen herausbekommt, sehen wir beide Christchurch
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