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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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aufzuziehen, sah Peter Leutnant Robert Wilson. Der blickte erst zur Victory hinüber, dann wandte er sich um und sagte mit Tränen in den Augen: »Er ist nicht mehr, Wilson aus Christchurch. Er ist nicht mehr.« Die Schlacht von Trafalgar machte der französischen Flotte den Garaus. Sie konnte außer ein paar gelegentlichen Überfällen auf die Handelsschiffahrt nie mehr einen Angriff starten. Die drohende Invasion war abgewehrt.
    Die Gefahr von seiten Bonapartes in Europa jedoch nicht. Zwei Tage vor der Schlacht von Trafalgar hatte er die Österreicher bei Ulm zurückgeschlagen. Im Dezember, in der berühmten Schlacht bei Austerlitz, drang er in die Mitte der dichtformierten gegnerischen Armeen vor und besiegte Österreicher und Russen auf einen Streich. Die englischen Streitkräfte mußten eilends aus Deutschland abgezogen werden. Pitts große Allianz hatte völlig versagt. Anstatt den aufkommenden Tyrannen zu vernichten, war die Koalition zusammengebrochen, und nun nahm Napoleon auch noch große Teile des bröckelnden österreichischen Kaiserreiches.
    Im Januar 1806 starb William Pitt der Jüngere unter dem Eindruck der verheerenden Nachrichten.
    Dies alles interessierte Peter Wilson herzlich wenig, denn im Jahre 1806 durfte er endlich nach Hause. Als seine Familie erfuhr, daß er die Schlacht bei Trafalgar mitgemacht hatte, wurde er als Held gefeiert. Er lief glücklich durch Christchurch und wurde von seinen Freunden freigehalten, was ihm höchst angenehm war.
    Seine Verlobte, die nicht erwartet hatte, ihn wiederzusehen, war inzwischen verheiratet. Er zuckte die Achseln und grinste nur. »Wenn ich wieder auf Brautschau gehe, habe ich wenigstens schon den Ring«, meinte er.
    Drei Wochen später lieferte er ein Fäßchen Brandy ins Haus von Kanonikus Porteus. Der Alltag kehrte zurück.
    Obwohl Ralph Shockley friedlich auf dem Besitz der Forests im Norden lebte und keiner Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt war, litt er. Die Erfahrung hatte ihn verändert; während ihn das Nachdenken über revolutionäre Theorien einst aufsässig und streitbar gemacht hatte, verlieh ihm die Kenntnis echten Leidens, wie das immer der Fall ist, eine gewisse Gelassenheit.
    Weder seine eigenen Lebensumstände noch seine Schüler waren das Problem. Die Kinder der Forests waren acht und zehn Jahre alt, beide dunkelhaarig und schlank, mit schmalen, blassen Gesichtern. Sie lernten rasch und gaben keinen Anlaß zur Klage. Ihr Großvater lebte abwechselnd in seinen verschiedenen Häusern, und ihre Eltern hielten sich meist in London auf. Doch obwohl sie mit ihrem Lehrer in dem riesigen Haus im Norden allein lebten, waren sie offenbar ganz zufrieden mit ihrem Dasein. Ralph stellte bald fest, daß sie ungewöhnlich selbständig waren – mehr als andere Kinder. Sie nehmen von mir, was sie brauchen. Sie sind höflich. Und damit hat sich’s, dachte er.
    Das Haus war, gemessen an den üblichen Herrenhäusern jener Zeit, nicht übermäßig groß, doch hatte es mehrere Morgen Grund dabei und verfügte über fünfzig Schlafzimmer neben den Räumen für die Bediensteten – zahllose Zimmer im Dachgeschoß, über Hintertreppen erreichbar, zu denen Ralph nie vordrang. Es gab einen schönen, natürlich belassenen Park und eine von Bäumen gesäumte, eine Meile lange Auffahrt. Weder die Familie noch das Haus machten Ralph Kummer; es war das, was er außerhalb der Parkmauern zu sehen bekam. Die erste überraschende Entdeckung machte er drei Monate nach seiner Ankunft, als der alte Lord Forest einige Wochen bei ihnen verbrachte. Ralph hörte den Verwalter sagen, daß Seine Lordschaft seine Betriebe in Manchester inspizieren wolle, und er fragte, ob er den Lord begleiten dürfe. Forest hatte nichts dagegen. So fuhr er an einem kalten Februarmorgen durch die Gegend von Lancashire auf die aufstrebende Stadt zu.
    Es war eine herrliche Landschaft: Sanfte, mit Eichenwäldern bestandene Hügelkämme zogen sich hinunter in breite Täler, wo die Höfe inmitten fruchtbarer Felder lagen. Die neue Industrie und die Bergwerke brachten allmählich Reichtum in diesen Landstrich.
    Sie erreichten die Außenbezirke von Manchester. Wohin Shockley auch blickte, überall wuchsen neue Gebäude hoch: ein Lagerhaus hier, eine Fabrik dort; an einem Abhang zwei Reihen hübscher, terrassenförmig angelegter Backsteinhäuser, die eine neue, wenn auch systematisierte Wohlhabenheit verrieten. Infolge dieser frischen Aktivität, dieser Überfülle von Lastkarren, dieser Berge von

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