Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
gab er zu bedenken. »Du weißt auch, daß der korsische Abenteurer den Tod von annähernd eineinviertel Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. Ist dir denn nicht klar, daß in den alten Regimes, selbst wenn sie nicht vollkommen waren, die rechtmäßigen europäischen Monarchen zumindest die Ordnung in der Welt aufrechterhalten haben?«
    »Ich gebe zu, daß ganz Europa so denkt«, erwiderte Ralph, »und daß allein dadurch vielleicht der Frieden gewahrt werden kann.« Im Grunde wußte er, daß es so war. Seit mehr als einer Generation war die Legitimität des angestammten Herrscherhauses – erdacht von dem klugen Kopf des großen französischen Staatsmannes Talleyrand – mehr als nur die reaktionäre Liebe zum alten monarchistischen Regime. Dieser Grundsatz bedeutete Ordnung, bedeutete Rückkehr zu Frieden und Wohlstand. Mit gutem Grund bildeten die europäischen Monarchen neue Generalallianzen in ganz Europa zur Gewährleistung eines dauerhaften Friedens.
    Im Lauf der Jahre jedoch führte diese legitimistische Einstellung der Monarchien zu weniger positiven Resultaten: In Spanien wurde die Inquisition wieder eingeführt; die Bourbonenherrscher versuchten, den gesamten südamerikanischen Handel erneut zu einem spanischen Monopol zu machen, und alle Dissidenten wurden niedergehalten aus Furcht, sie könnten Revolutionäre sein. Es waren dunkle, beschwerliche Zeiten.
    Nicht einmal Porteus konnte im Kreise seiner Familie behaupten, daß die englische Monarchie auch nur den geringsten Anlaß zum Jubel gab. Während Wellington immer noch damit beschäftigt war, den Einfluß der Franzosen auf der Iberischen Halbinsel zu schwächen, verfiel Georg III. nun endgültig dem Wahnsinn, und sein extravaganter Sohn wurde Regent. Seine Regierungszeit hatte den Makel nicht nur seiner maßlosen Verschwendungssucht, sondern auch der Unstimmigkeiten mit seiner Gemahlin Karoline und schließlich der Trennung von ihr. Im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gab es eine Spaltung in der Familie Shockley.
    »Napoleon ist wirklich schuld daran, daß die Verbindung mit unseren Verwandten zu Ende ist«, sagte Ralph. Er hätte die Schuld auch Porteus zuschieben können.
    Während der langjährigen englischen Isolation versuchte Napoleon, England durch eine Handelsblockade in die Knie zu zwingen. Durch seine Kriegsflotte blockierte England seinerseits Napoleons Handel. Dieses ungewöhnliche System wurde jahrelang aufrechterhalten, wobei beide Seiten versuchten, den Handel mit Dritten zu blockieren, während, inoffiziell, immer noch genügend englisches Tuch den Weg zum Kontinent fand, um die Armeen Napoleons damit einzukleiden. Die englische Kriegsmarine hielt sämtliche Handelsschiffe auf und durchsuchte sie, sogar amerikanische.
    »Sie geben es zwar nicht zu, aber sie wollen sich mit Kanada anlegen«, meinte Mason, »und sie beschweren sich darüber, daß wir Schiffe durchsuchen, nur um einen Streit vom Zaun zu brechen.« Durch eine Ironie des Schicksals begann der sinnlose Krieg, in dem die Vereinigten Staaten ohne Erfolg Kanada angriffen und englische Schiffe das Feuer auf Washington eröffneten, tatsächlich erst, nachdem bereits eine Übereinkunft zwischen den streitenden Mächten getroffen worden war. Doch diese Neuigkeit gelangte zu spät über den Atlantik. Zu Beginn der Feindseligkeiten traf ein wütender Brief der amerikanischen Verwandten ein, die wissen wollten, was England mit dieser Aktion bezwecke.
    »Ich bin der Meinung«, bemerkte Kanonikus Porteus, »daß wir nicht antworten sollten.« Und so fand die Korrespondenz zwischen Frances Shockley und ihren Verwandten ein Ende.
    »Es ist jetzt an mir, ihnen zu schreiben«, sagte Ralph zu seiner Frau. Nun kam die Schreibfaulheit ins Spiel. Er wollte wirklich schreiben, war oftmals kurz davor. Doch die Monate vergingen; es wurden Jahre daraus. Der Kleinkrieg ging allmählich dem Ende zu. Ralph hatte immer noch vor zu schreiben.
    1823, als England so sehr darauf bedacht war, die bourbonischen Mächte davon abzuhalten, den Handel mit Südamerika zu übernehmen, wurde eine freundliche Atmosphäre zwischen England und den Vereinigten Staaten geschaffen, die in der berühmten Doktrin des Präsidenten Monroe gipfelte und besagte, daß die Vereinigten Staaten keinerlei europäische Einmischung in ihrem südlichen Einflußbereich tolerieren würden.
    Als Napoleon 1815 auf St. Helena ins Exil ging, hatte die arme Bevölkerung in Sarum nichts zu lachen; denn der Friede brachte der

Weitere Kostenlose Bücher