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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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großzügigen Gehalt zu besorgen.
    Der Brief kam an jenem Tag an, als Thaddeus Barnikel Agnes zu einem öffentlichen Vergnügen ausführte. Als sie danach durch die Stadt gingen, erzählte sie ihm von Ralphs Brief und von seinen Plänen, sie aus Sarum wegzuholen.
    »Nach London?« Er schluckte. Einen Augenblick war er sprachlos. Da erst wurde ihm bewußt, wie sehr sie ein Teil seines Lebens geworden war. Obwohl wir uns noch nicht einmal berührt haben, ist es fast, als wären wir verheiratet, dachte er traurig.
    »Es täte mir leid, wenn Ihr von hier weggehen würdet«, sagte er schließlich, und sie gingen schweigend weiter.
    Dann waren sie vor ihrer Haustür in der New Street angelangt. Es war kein Mensch in der Nähe.
    »Ich fürchte, daß mein Mann in London sich und seiner Familie bald ebensolche Schwierigkeiten machen würde wie in Sarum«, meinte sie mit sanftem Lächeln. Es war das erstemal in zwei Jahren, daß sie vor Thaddeus etwas gegen ihren Mann äußerte. Er sah zu Boden.
    »Außerdem«, fuhr sie mit fester Stimme fort, »habe ich keine Lust, Sarum zu verlassen – auch nicht meine guten Freunde.« Bevor sie ins Haus trat, berührte sie leicht seinen Arm.
    Er blieb eine Zeitlang ganz still stehen. Durch dieses kleine Zeichen der Zuneigung hatte sie ihm, obwohl keiner von beiden je dieses Thema zur Sprache brachte, ihre Liebe gestanden. Dieser Augenblick war der absolute Höhepunkt seiner, Thaddeus Barnikels, Leidenschaft. Ralph war überrascht, als er einige Tage darauf einen Brief von Agnes erhielt, in dem sie ihm mitteilte, daß sie nicht den Wunsch hätte, Sarum zu verlassen.
    Im Jahre des Herrn 1807 starb schließlich der alte Bischof von Salisbury. Kanonikus Porteus äußerte sich besorgt Frances gegenüber: »Wenn ein Bischof stirbt, muß man immer mit einer Änderung rechnen.« Im Juli wurde der neue Bischof inthronisiert. Er hatte ein freundliches Gesicht, war ein intelligenter, tätiger Mann namens John Fisher und sollte zu einem der hervorragendsten Bischöfe von Sarum werden. Mrs. Porteus, Agnes und Doktor Barnikel hatten sehr gute Sitzplätze, von denen aus sie die glanzvolle Zeremonie in der Kathedrale verfolgen konnten.
    Als sich Doktor Thaddeus Barnikel später im Haus von Porteus unbeobachtet glaubte und die Liebe zu der Frau, die schweigend neben ihm auf dem Sofa saß, mit Macht über ihn kam, verhielt er sich äußerst unbedacht.
    Porteus hielt sich in seinem Arbeitszimmer auf; Frances hatte das Wohnzimmer soeben verlassen.
    Als Agnes auf diese sanfte Art lächelte, wie sie es eben jetzt tat, konnte Barnikel nicht anders, er mußte einfach denken: Wenn man es ganz ehrlich betrachtet, gehört sie mir. Und in diesem überquellenden Gefühl nahm er sich die Freiheit, nach ihrer Hand zu greifen und diese zu küssen. Sie hielt ihn nicht davon ab; wie konnte sie auch, nach all den Jahren inniger Zuneigung zu ihr? Sie saßen mit dem Rücken zur Tür, die sich, von ihnen unbemerkt, geöffnet hatte; Frances beobachtete sie schweigend. Dann schloß sie die Tür. Sie machte keinem der beiden einen Vorwurf, doch nun wußte sie, was zu tun war.
    »Es ist an der Zeit, daß Ralph zurückkommt«, murmelte sie vor sich hin.
    Am folgenden Tag machte sie dem neuen Bischof einen Besuch. Sie blieb fast eine halbe Stunde, und als sie den Bischofspalast wieder verließ, hätte ein aufmerksamer Beobachter ein Lächeln auf ihren Lippen bemerken können – besser gesagt, es war ein sehr breites Lächeln, so hatte sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gelächelt.
    An ebendiesem Abend fand eine außergewöhnliche Unterredung im Arbeitszimmer von Kanonikus Porteus statt. Frances stand im Türrahmen. Porteus fand, daß sie anders aussah als sonst; ihr völlig entspanntes Gesicht wirkte etwas voller. Es erinnerte ihn an das eigensinnige Mädchen, das er vor vielen Jahren geheiratet hatte. Er runzelte die Stirn. »Es ist Zeit, Kanonikus, daß mein Bruder nach Hause kommt.«
    »Mrs. Porteus, ich ziehe es vor, dieses Thema nicht zu erörtern.«
    »Ich bestehe darauf.«
    Er seufzte. Er mußte jetzt einfach Vernunft walten lassen. Er nahm die Brille ab und erklärte ihr ebenso ruhig wie unbarmherzig einleuchtend, warum dies gerade jetzt unmöglich sei: die politische Lage, der gute Ruf der Familie, der neue Bischof. »Ich habe schon mit dem Bischof gesprochen.« Er fuhr heftig von seinem Stuhl hoch.
    »Ohne meine Erlaubnis? Ohne mich vorher zu fragen?«
    »Ja.«
    Er setzte die Brille wieder auf und musterte sie. War so

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