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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Landwirtschaft die ärgste Not seit Generationen. Durch den Krieg war die Regierung tief verschuldet. Seit Jahren hatte sie sich geweigert, das Papiergeld mit Gold zu honorieren, und es wurden weiter Banknoten gedruckt. Die Inflation griff um sich. Der Brotpreis stieg rasch, die Löhne blieben gleich. Ein Arbeiter, der nach dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit seinem Lohn vierzehn Laib Brot kaufen konnte, bekam für die gleiche Summe nur noch neun. Trotzdem stieg die Einkommensteuer, und die arme Bevölkerung bezahlte dafür.
    »Die Regierung hat von den reichen Leuten Geld geliehen. Jetzt müssen die Armen Steuern bezahlen, damit die Reichen ihre Zinsen bekommen«, erläuterte Ralph. Tatsächlich mußten zwischen einem Drittel und der Hälfte der Staatseinkünfte für Zinsen aufgebracht werden. Nun, bei Kriegsende, verursachten einerseits die Rückkehr der Soldaten, andererseits das Auslaufen der enormen Regierungs-Kriegsverträge nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern eine allgemeine Depression. Die Getreidepreise fielen, aber das half der armen Bevölkerung keineswegs, denn die Landbesitzer brachten das Getreidegesetz ins Parlament ein. Die Bedingungen waren einfach: Zu einer Zeit, wo das kontinentale Europa große Überschüsse zu verkaufen hatte, wollte niemand in England Getreide importieren, bis es den Preis von achtzig Schilling für ein Quarter, also etwa zwölfeinhalb Kilogramm, erreicht hatte. Das sicherte die Landbesitzer ab.
    »Es ist ungeheuerlich«, ereiferte sich Ralph. »Das bedeutet den sicheren Hungertod für die Armen.«
    »Schlimmer als das«, führte Mason aus, »es ist nachgerade töricht. Die Landbesitzer und Bauern selbst können das Getreide zu diesem Preis nicht verkaufen, also sind sie auch nicht besser daran. Alle verlieren dabei. Die einzigen, die Profit machen, sind die Getreidehändler. Sie lagern das Korn, um den Preis rasch hochzutreiben; sie kaufen billige Importware, sobald sie die Möglichkeit haben, und verkaufen sie mit großem Gewinn.«
    »Warum also stützen die Tory-Landbesitzer weiterhin das Getreidegesetz?«
    »Ganz einfach«, erklärte der Kaufmann, »Vorurteil und Dummheit. Sie wollen alles unter ihre Kontrolle bringen, genau wie im Krieg. Sie hören nicht auf uns Kaufleute, die ihnen die Vorteile des freien Handels begreiflich machen könnten.«
    Das Getreidegesetz blieb bestehen. Die arme Landbevölkerung verhungerte. Handwerker, vor allem Weber, verloren durch die neuen Maschinen ihre Arbeitsplätze. Ein grausamer Friede löste die langen Kriegsjahre ab. Reaktionäre Minister, durch das beginnende Industriezeitalter im Grunde ebenso verwirrt wie das unglückliche Volk, sperrten sich gegen jegliche Reform. Als die Arbeitslosen Lärm schlugen, als die sogenannten Ludditen versuchten, die Maschinen zu stürmen, von denen sie glaubten, daß sie ihren Broterwerb vernichteten, wurden sie niedergeschlagen.
    Es gab zwar in den 1820er Jahren Reformversuche. Eine aufstrebende Persönlichkeit im Parlament, Robert Peel, begann, obwohl mit Sicherheit ein Tory, eine zaghafte Reform, die etwa die Gründung der ersten Londoner Polizeitruppe zur Folge hatte und auch die Aufhebung einiger hundert Vergehen, auf die Todesstrafe stand. Der Handel erholte sich, und einige Bürgerpflichten, die Mason haßte, wurden abgeschafft. Ralph Shockley war allerdings der Meinung, daß sich in Sarum nie etwas änderte. Manchmal überfiel ihn der Zorn über die herrschende Armut, und einmal schrie er in Porteus’ Haus: »Also, die Lasttiere werden besser behandelt als unsere Landarbeiter.« Worauf Porteus zur Abwechslung keine Antwort gab; Ralph wußte nicht genau, ob er aus Verachtung oder aus Scham schwieg.
    Aus all diesen Jahren behielt Ralph einen einzigen Tag und eine Begegnung für alle Zeit im Gedächtnis. Es war ein wolkiger Morgen im Spätfrühling, als er auf den Anhöhen spazierenging. Überall weideten Schafe, nicht wie früher die langgehörnten; die gab es nicht mehr. Jetzt war es eine neue, anspruchslosere Zucht aus den South Downs. Hornlos bis auf die Böcke, mit erstklassigem Fell, konnten drei von ihnen mit dem Futter von zweien der alten Art gefüttert werden, so hieß es jedenfalls. Wo keine Schafe weideten, waren die Getreidefelder frisch angesät.
    Da sah er den Jungen, eine winzige Gestalt ganz allein mitten auf einem riesigen Acker.
    Ralph ging langsam auf ihn zu. Der Junge rührte sich nicht vom Fleck. Ralph bemerkte die Vögel, wie sie wachsam über die Ackerfurchen

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