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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Es gab damals fünfundzwanzig Privatschulen in Salisbury. Ihre Mutter schüttelte darüber den Kopf – das Mädchen wurde allmählich exzentrisch. Und nun war die Mutter sechs Monate zuvor gestorben.
    Jane war dreiundzwanzig Jahre alt. Sie besaß das hübsche Haus auf dem Kathedralgelände, bekam fünfhundert Pfund jährlich, hatte eine Köchin, ein Hausmädchen, zwei Pferde im Stall in der Innenstadt, sie hatte nette Nachbarn – und außerdem hatte sie zwei absolut annehmbare Heiratsanträge zurückgewiesen. Sie liebte ihre Arbeit. Nun, nach dem Tod der Mutter, sollte sie sich natürlich nach einem Gefährten umsehen, denn es war für eine unverheiratete Frau nicht schicklich, allein zu leben. Aber Jane zögerte.
    Warum nur las sie so begierig die Briefe aus fernen Ländern? Warum verschlang sie die neuesten Nachrichten in den Zeitungen, während andere junge Damen zufrieden über ihrer Handarbeit saßen? Warum mußte sie, was ihre Mutter immer beanstandet hatte, eigene Meinungen haben? »Männer haben Meinungen. Frauen hören zu«, hatte die Mutter sie getadelt.
    Nach dem Tod ihrer Mutter überlegte Jane, ob sie ihren Bruder oder vielleicht sogar ihren Onkel in der Mission besuchen sollte. Ihre Umgebung hielt zumindest letztere Idee für blödsinnig. Und da war nun Florence Nightingale.
    Es war Morgen. Die Sonne stand schon hoch. Die Blätter fielen von den Bäumen an der Wiese der Chorsänger. Jane hörte das Hausmädchen Lizzie im Erdgeschoß umhertrippeln.
    Heute war ein Tag für Entscheidungen, das fühlte sie. Sie wußte, daß sie sie jetzt treffen mußte, solange sie noch den Wunsch nach Abenteuern in sich verspürte. Sollte sie nach London zur Ausbildung gehen? Schwierige, unbequeme Entscheidungen. Sie räkelte sich noch eine Zeitlang im Bett, ehe sie diesen schicksalhaften Tag beginnen wollte. Es klopfte. Lizzie brachte einen Brief von Bernard. Jane riß das Kuvert auf.
    Meine liebe Schwester,
Durch den Verlust unserer lieben Mama bist Du nun ganz auf Dich gestellt, was mich beunruhigt. Harriet und ich empfehlen Dir wärmstens, herzukommen und mindestens ein halbes Jahr bei uns zu verbringen. Deine Nichte und Dein Neffe sehnen sich nach ihrer Tante. Du wirst hier Abwechslung und auch nette Gesellschaft finden. Es gibt ein paar junge Männer, wirkliche Gentlemen, die vielleicht … Aber ich mache zuviel Worte.
Dieser Krimkrieg wirkt sich erstaunlich positiv auf unser Vermögen aus. Hier im Hoogly-Distrikt haben wir, wie Du vielleicht weißt, große Desi-Plantagen. In England nennt man diese Pflanze Jute. Wir stehen bereits in besten Handelsbeziehungen mit Amerika. Wichtiger noch ist, daß durch diesen Krieg die Lieferung von russischem Rohflachs und Hanf nach Dundee unterbunden ist; wir verdrängen die Russen durch unsere Jute. Die Gewinne sind höchst erfreulich. Alles weitere erzähle ich Dir, wenn Du hier bist, und dann kannst Du alles mit eigenen Augen sehen.
    Er schrieb noch vieles, aber Jane unterbrach die Lektüre. Der gute Bernard! Zehn Jahre älter als sie; zehn Jahre Indien. Seine Briefe an sie drehten sich ausschließlich um Geschäftliches, als wäre sie ein Mann – über dieses Vertrauen freute sie sich. Den Rest des Briefes sparte sie sich für später auf.
    Sie kleidete sich rasch an, dann ging sie geradewegs zur Kathedrale. Immer, wenn sie eine größere Entscheidung zu treffen hatte, ging sie in den Kreuzgang. Es war dort so still, so friedvoll. Im ersten Regierungsjahr der Königin Viktoria ließ Bischof Denison zwei Libanonzedern auf die mittlere Grünfläche setzen, die den Ort noch schöner machten. Jane ging am Kapitelsaal vorüber. Hier wie im Kreuzgang wurden Reparaturarbeiten vorgenommen.
    Der Entschluß fiel ihr schwer. Nun, nachdem der Plan einer Krimreise sich zerschlagen hatte und durch die Aussicht auf einige Jahre aufreibender Arbeit im Krankenhaus, wahrscheinlich in London, ersetzt worden war – wollte sie nun immer noch Krankenschwester werden? Warum sollte sie nicht nach Indien gehen? Das wäre auf alle Fälle interessanter. Oder sollte sie einfach hier in Sarum bei ihren Freunden bleiben? Auch das hatte vieles für sich.
    Ausnahmsweise einmal konnte sie sich nicht entschließen. Sie war ärgerlich über sich und ging langsam vom Kreuzgang zurück ins Innere der Kathedrale.
    Dort fiel ihr eine einsame, zerfetzte Fahne an einer Stange auf, die in ziemlicher Höhe im rechten Winkel von der Wand in den Raum hing. Sie hatte die Farbe des WiltshireRegiments.
    Warum rührte

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