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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Ratsherren, die Eigentümer verschiedener Slums waren und mit denen Mickelthwaite insgeheim gemeinsame Sache machte, fochten bis aufs Messer. Sie mußten sich schließlich geschlagen geben.
    Anfang des vorangegangenen Jahres hatte der Bauingenieur Joseph Porters einen Posten in Salisbury erhalten und kam zu einer Inspektion an Ort und Stelle von Leicester angereist. Er machte sich unverdrossen ans Werk, ließ die alten Abwasserkanäle füllen und begutachtete die Gevierte. Er war von dem, was er zu sehen bekam, ebenso entsetzt wie Doktor Middleton. »Wir haben eine jahrelange Arbeit vor uns«, erklärte er und suchte nach einer angemessenen Unterkunft für sich.
    Joseph Porters war siebenunddreißig Jahre alt. Er trug tagaus, tagein einen hochgeschlossenen Gehrock, graue Weste, weißes Hemd, eine sorgfältig gebundene Krawatte, einen schwarzen Zylinder, und er hatte gestutzte Koteletten. Sein sandfarbenes Haar lichtete sich bereits. Porters besaß zwar eine Portion Humor, doch nicht genügend Selbstvertrauen, um hinsichtlich seiner äußeren Erscheinung etwas mehr zu wagen.
    Zweifach war Joseph Porter von Salisbury fasziniert; einmal im Zusammenhang mit den Kanälen, denn als diese gereinigt wurden, kamen phantastische Gegenstände zum Vorschein: Abfälle und unachtsam Weggeworfenes aus sechs Jahrhunderten – Kämme, Scheren, Tonpfeifen, Münzen –, ein wahrer Schatz für einen Liebhaber alter Dinge. Bald war es für die Arbeiter eine alltägliche Szene, bei der sie achtungsvoll zurücktraten, während Mr. Porters seine Würde und sein weißes Hemd so weit vergaß, daß er eine halbe Stunde lang gründlich im Morast herumstocherte, um dann seine Kostbarkeiten eilends in seinem Haus in der Castle Street zu verstauen und das Hemd zu wechseln. »Bald brauchen wir ein kleines Museum dafür«, sagte er zum Dekan. Das zweite Faszinosum – es dauerte eine Weile, ehe er sich dies eingestand – war Miss Jane Shockley.
    Die kleine Bibliothek im Haus Shockley lag im ersten Obergeschoß. Der Raum enthielt außer Bücherregalen, die vom Boden bis an die Decke reichten, nur zwei Ledersessel, einen Tisch aus Walnußholz und einen Schreibtisch, an dem Jane soeben arbeitete.
    Es war drei Uhr nachmittags, und sie hatte bereits vier Briefe geschrieben, als sie aus dem Fenster sah und Joseph Porters unten auf der Straße entdeckte. »Ach, du liebe Zeit!« murmelte sie. Warum nur hatte sie ihn jemals angesprochen? Sie erinnerte sich sehr wohl an ihre erste Begegnung vor einem Jahr, kurz nach seiner Ankunft. Sie war in Gesellschaft von ein paar jungen Damen gewesen und in ausgelassener Stimmung; eine von ihren Begleiterinnen deutete auf den schlanken seriösen Mann, der neben den Arbeitern stand, und sagte: »Das ist Porters. Abwasser. Ganz schön mürrisch.« Sie lachten schallend, und Jane marschierte aus lauter Übermut keck über die Straße, blickte in die leere Wasserrinne und erklärte: »Nun, Mr. Porters, ich komme, um Euch und Eure Kanäle zu inspizieren.« Er hatte das ernst genommen und ihr eine halbe Stunde lang jede Einzelheit genau erläutert, von der Notwendigkeit, die Cholera abzuwehren bis zu den mitteralterlichen Wunderdingen, die im Schlamm verborgen lagen. Sie saß in der Falle; sie konnte nicht weg, ohne unhöflich zu sein.
    Da stand sie nun und bekam ihre Lektion, und ihre Freundinnen warteten am Eingang von Surmans Schuhladen und hielten sich die Seiten vor Lachen.
    Von da an mußte Jane wohl oder übel artige Konversation mit Mr. Porters machen, wenn sie einander begegneten. Aber wenn auch die jungen Damen sie mit ihren Abwässerkanälen aufzogen, galt ihr Porters’ Meinung mehr als die der Freundinnen. Und zum Trotz saß sie beim jährlichen St.Cäcilien-Musikfest neben ihm und ging mit ihm durch die Gartenausstellung.
    Einmal verbrachten sie einen ganzen Tag miteinander, mit einer Gruppe natürlich, als ein Kanoniker sie zur Besichtigung einer Fabrik auf der anderen Seite der Ebene führte, wo Sarsens, große Sandsteinblöcke, zugeschnitten wurden. Joseph Porters war ein höchst interessanter Mann, und sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart. Aber mehr als das? O nein!
    Lizzie öffnete die Tür. Seine Karte lag auf einem kleinen Silbertablett. »Mr. Porters ist hier, Miss Jane.« Sie legte ihre Feder hin. »Bitte, führe ihn herauf.« Porters war bis dahin nie in der Bibliothek gewesen. Welch ein heller, angenehmer Raum!
    »Ich hoffe, daß ich nicht ungelegen erscheine.«
    »Keineswegs. Bitte, nehmt Platz,

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