Sarum
des gesamten Nordeuropa geworden war. Die keltische Sprache war reich an Poesie, Mystik, Wortgewalt. In dieser Sprache entstanden Legenden, Visionen und Epen, die die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag überdauerten. Etwa 1000 v. Chr. bildete sich ein neuer und spektakulärer Menschenschlag unter den bescheidenen keltischen Siedlern heraus: die keltischen Kriegsherren.
Diese neue Kriegerrasse wanderte west- und nordwärts, an die Küsten des Ärmelkanals und zur Iberischen Halbinsel. Diese feurigen Edelleute waren nicht nur Krieger mit Leib und Seele, sie führten auch eine neue schreckliche Waffe mit sich, die Angst und Schrecken verbreitete: ihre langen Schwerter. Diese Schwerter waren aus einem neuen Metall, das man in Nordeuropa noch nicht kannte und das aus dem Osten stammte: Es war das Eisen.
Archäologen nannten diese Phase Hallstatt-Kultur. Mit ihren Eisenschwertern waren die Hallstatt-Kelten nahezu unbesiegbar. Trotz ihres Kampfgeistes waren sie jedoch keine Zerstörer. Wenn sie neues Land besiedelten, errichteten sie – je nach den örtlichen Bedingungen – ihre bescheidenen strohgedeckten Gehöfte oder, in unruhigen Zeiten, schwer einnehmbare Wehrbauten als Erdwerke auf Hügeln; wenn sie Einwohner in der Gegend vorfanden, ließen sie sie meist ungeschoren oder benutzten sie als Arbeitskräfte. Und so überquerten die Kelten den schmalen Englischen Kanal zwischen 900 und 500 v. Chr. – die Zeit ihrer ausgedehntesten Wanderungen – und wurden in vielen Teilen Britanniens seßhaft. Sie taten es auf friedliche Weise und nahmen, wie schon andere Einwanderer vor ihnen, Einflüsse der Insel auf. Durch die Meerenge und die Kreideklippen vom Kontinent getrennt, blieb das Land der Nebel eine magische Welt für sich.
Ab etwa 500 v. Chr. bis zur Geburt Christi blühte die keltische Kultur, welche Historiker als La-Tène-Kultur bezeichnen, nach der berühmten großen keltischen archäologischen Fundstätte desselben Namens in der Schweiz; in diesen Jahrhunderten schufen die Kelten in Nordeuropa und Britannien mit die kostbarsten und erfindungsreichsten Schätze der Frühgeschichte.
Sie fertigten zweirädrige Wagen, kunstvoll gearbeiteten Gold-, Silber- und Bronzeschmuck, mit Spiralmotiven verzierte Keramik, Tierfiguren aus Ton und Metall, die in ihrer außergewöhnlichen Abstraktheit ein eigenes Innenleben zu besitzen scheinen. Sie entwarfen Übergewänder und Umhänge in leuchtenden Farben. Sie verfaßten lange Gedichte, die die Barden zu Ehren der heldischen Vorfahren und der Götter sangen. Und sie erschufen sich Götter. Die Welt der Kelten war voll von Göttern, Wundern, Aberglauben, Zaubervögeln und Fabeltieren.
Die Römer konnten mit den Kelten gar nichts anfangen. Ein guter Römer liebte eine gesetzestreue Regierung, Hierarchie, Bürokratie; die Kelten hatten zahllose Stammesfürsten und Ritter, die durch Blutsgelübde über Generationen hinweg miteinander verbunden waren. »Wir werden sie lehren, die Ordnung zu lieben«, sagten die Römer. Aber das war nicht so einfach.
Die als Belgen bekannte, teils keltische, teils germanische Stammesgruppe nahm die römische Kultur zwar an, lehnte jedoch die römische Herrschaft ab und wurde über das Meer abgedrängt. Im Lauf der Jahre bekehrte das gezielte römische Werben jedoch viele zu den Vorzügen der Zivilisation sowohl in der Provinz Gallien als auch in den uneroberten Teilen der Insel jenseits des Kanals.
Obwohl viele keltische Stämme über die römischen Herren spotteten, nutzten ihre Stammeshäupter ihre Beziehungen zu den römischen Händlern aus Gallien, die ihnen die geschätzten Weinamphoren, Edelsteine und andere Kostbarkeiten brachten. Wenn auch die Kelten keine eigene Schrift hatten, beherrschten die gebildeten Stammesfürsten doch die lateinische Sprache.
»Die Inselbewohner werden kämpfen; aber schließlich schlagen sie sich doch auf unsere Seite«, bemerkte Claudius. Das glaubten jedenfalls die Planer der Invasion. »Das tun die Barbaren früher oder später immer.« Im Frühling des Jahres 44 n. Chr. warteten die Einwohner von Sarum bereits einen Monat auf die Römer. Sie waren gut vorbereitet: Die gesamte Bevölkerung hatte in der Düne Zuflucht gesucht.
In den zweitausend Jahren, seit die Sarsens nach Stonehenge befördert worden waren, hatte sich die Landschaft um Sarum nicht sehr verändert. Wälder mit Eichen, Eschen, Ulmen und Haselsträuchern zierten immer noch das ausgedehnte Becken, wo die fünf Flüsse zusammentrafen. Manches
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