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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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spitze Nasen und stellten, obwohl sie beide erst in den Dreißigern waren, eine gewisse Würde zur Schau, die sie weitaus älter erscheinen ließ.
    Seit unzähligen Generationen hatten die Nachkommen dieser Familie kurze Daumen und klobige Finger, und alle waren sie, ohne Ausnahme, hervorragende Handwerker. Er hatte die beiden mit der Organisation des kleinen Lagers beauftragt, und sie waren gekommen, um ihre Anweisungen zu empfangen. Der Dritte im Bunde bildete einen krassen Gegensatz dazu. Aflek, der Druide, war groß, auf den ersten Blick vielleicht beeindruckend, doch bei näherer Betrachtung wirkte er nicht sonderlich vertrauenerweckend. Er hatte eine tief gefurchte Stirn, sein Gebiß war lückenhaft, das graue Haar und der lange Bart waren verfilzt, das braune, knöchellange Gewand starrte vor Schmutz.
    Der junge Herrscher musterte ihn argwöhnisch: »Nun?« »Die Göttin Modron hat mir ein Zeichen gesandt. Wir werden siegreich sein«, sagte der Alte. »Die Götter halten ihre schützende Hand über Sarum.«
    Tosutigus erwiderte kein Wort. Er wußte, daß das Land seiner Ahnen von vielen Göttern beschützt wurde. Stand nicht seine eigene Familie unter dem persönlichen Schutz von Nodens, dem allgewaltigen Wolkenmacher, dem sie ein Heiligtum errichtet hatten? Sarum und seine Herrscherfamilie mochten ihre frühere Größe verloren haben – sie hatten immerhin mächtige Verbündete unter den Göttern.
    »Du stehst ebenso unter dem Schutz der Druiden«, meinte Aflek mit großer Überzeugungskraft. »Du hast nichts zu fürchten.« Die Druiden übten bei den Stämmen unterschiedliche Macht aus; das richtete sich nach der Einstellung des jeweiligen Stammesführers. Die Belgen begünstigten diese Priester meist aufgrund ihrer weitreichenden Verbindungen, welche die Römer in Gallien in Unruhe versetzten. Die Durotrigen achteten die Priester deshalb, weil sie anstelle der keltischen Götter fungierten und damit der römischen Welt entgegentraten. In anderen Teilen der Insel wurden zwar die Götter verehrt, die Druiden jedoch hatten wenig Macht. Kürzlich allerdings hatten Druidenpriester, wie Tosutigus wußte, allenthalben in größter Eile zu Ehren der Kriegsgötter Rituale zelebriert und Opfer dargebracht, um zu bewirken, daß der römische Einmarsch zurückgeschlagen würde.
    Fünf Jahre zuvor hatte eine Druidengemeinschaft in einem Heiligtum nahe Stonehenge ihre Götter verehrt, und sein Vater war verpflichtet worden, sie zu unterstützen. Dann waren die Druiden zu einer Versammlung zweihundert Meilen nach Nordwesten, auf die Insel Anglesey, weitergezogen, von wo sie zur Erleichterung seiner Familie niemals zurückkehrten. Vor zwei Monaten jedoch war Aflek von Maiden Castle nach Sarum gekommen, und der junge Herrscher war überzeugt, daß er von den Durotrigen als Spion gesandt worden war.
    Tosutigus gab dem Druiden keine Antwort. Während der letzten Worte des Alten hatte er im südlichen Wald Metall aufblitzen sehen. Alle vier Männer hatten es gesehen und blickten jetzt aufmerksam in die Richtung. Kurz darauf trat das längst Erwartete ein: Eine Kolonne römischer Soldaten überquerte, zwei Meilen entfernt, ein Stück offenes Land. Endlich war der Augenblick da. Tosutigus’ Plan war gefaßt. »Verriegelt das Tor«, sagte er kurz zu Numex. »Wenn ich es befehle, sollen alle Männer die Wälle besetzen.« Die Brüder eilten davon. Der Druide begann Verwünschungen zu schreien. Aber Tosutigus achtete nicht auf ihn. Im Jahr zuvor hatten die Druiden geschworen, daß der Meergott die römische Flotte verschlingen werde, bevor sie die Ufer der Insel erreichen konnte.
    Der junge Herrscher wandte sich an den älteren Mann. »Du mußt jetzt gehen«, sagte er ruhig.
    Aflek starrte ihn nur an. »Ich werde an deiner Seite kämpfen, Tosutigus«, antwortete er.
    »Wenn die Römer dich hier finden, werden sie dich töten«, sagte Tosutigus überzeugt. »Außerdem will ich dich nicht hier haben.«
    Aflek sah verständnislos drein. Da enthüllte der junge Mann den Plan, den er so lange hatte reifen lassen. »Ich werde die Düne übergeben«, sagte er. »Ich werde mich den Römern anschließen.«
    Es war so einfach gewesen. Die vier römischen Legionen waren im Sommer 43 n. Chr. unter Führung von Aulus Plautius in Kent gelandet. Sie waren rasch durch den Südosten marschiert, hatten den Bruder des dreisten Stammesfürsten Caractacus vertrieben und ein paar Tage danach dessen kleine Armee aufgerieben. Sobald Claudius erfuhr,

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