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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Schrittes auf die Römer zu. Am Fuße des Hügels stand er dem römischen Offizier gegenüber, der vom Pferd gestiegen war und ihm gleichmütig entgegenblickte. Tosutigus sah das große eckige Kinn, die vorspringende Nase und die klugen braunen Augen. Der junge Kelte öffnete die Arme in freundschaftlicher Geste und rief auf lateinisch: »Willkommen! Ich bin Tosutigus, Herr von Sarum und ein Verbündeter Roms.«
    Vespasian, der das Sonderkommando selbst befehligte, musterte ihn kalt und wortlos. Die Düne hatte ihn nicht weiter beeindruckt, aber wenn der junge Mann nicht kämpfen wollte, so würde das Zeit sparen. Er wollte sich der restlichen Legion tags darauf wieder anschließen.
    »Sag deinen Leuten, daß sie die Festung räumen sollen«, äußerte er kurz angebunden.
    Tosutigus hatte eine freundlichere Antwort erwartet, bedeutete jedoch den Männern auf dem Wall herunterzukommen. »Sind Druiden hier?« wollte der Römer als nächstes wissen. »Ein einziger war hier; ich habe ihn weggeschickt«, antwortete Tosutigus wahrheitsgemäß.
    Vespasian begutachtete das umliegende Land. Sarum, Tosutigus oder seine Düne interessierten ihn nicht. Er war hergekommen, weil er gehört hatte, daß es auf der Anhöhe einen Tempel gebe, möglicherweise ein Kultzentrum dieser verfluchten Druiden. In der Absicht, den Inselpriestern den Garaus zu machen, wollte er sich auf dem Umweg selbst vergewissern, bevor er sich weiter im Westen mit den Hauptfestungen der Durotrigen befaßte.
    »Wo ist der steinerne Tempel?« fragte Vespasian. »Weiter nördlich. Zu Pferd ist man schnell dort«, antwortete Tosutigus. »Aber er steht leer«, fügte er hinzu. »Bring mich hin«, befahl Vespasian.
    Der Ausflug des kleinen Trupps – Vespasian nahm außer Tosutigus nur die beiden Vorreiter mit – entschied das Schicksal des jungen Herrschers. Beim Aufbruch war es dem Kelten bereits klar, wen er in dem gestrengen Römer vor sich hatte; er wollte sich ihm gegenüber unbedingt in ein gutes Licht setzen.
    Eine feuchte Brise hatte sich erhoben, und graue Wolken zogen über die Landschaft hin. Kleine braune Schafe – die meisten hatte man nicht in die Düne bringen können – weideten auf den Kreiderücken. An den Abhängen waren die ehemaligen Kornfelder unbebaut, und die wenigen Gehöfte mit ihren runden, strohgedeckten Gebäuden und Einfriedungen aus Flechtwerk, an denen die Reiter vorbeikamen, lagen still da. So verlassen der Schauplatz auch wirkte, Tosutigus blickte voller Stolz auf das wellige Land. »Es ist gutes Land«, bemerkte er. Vespasian nickte gedankenverloren. Das stimmte, und er hatte bereits entschieden, wie er dieses fruchtbare leere Land nutzen wollte. »Gehört es dir?«
    »Es ist seit langem in Familienbesitz«, antwortete der Kelte mit einer weit ausholenden Geste. »Das Hochland und das Land im Südwesten bis zu den Durotrigen hin ist unser. Mein Haus liegt im Tal«, fügte er hinzu.
    Der Wohnsitz der Familie war normalerweise nicht auf der Düne, sondern in einem bescheidenen, doch behaglichen Anwesen ein paar Meilen weiter nördlich: In einer großen Einfriedung befanden sich zwei runde, strohgedeckte Häuser, jedes mit etwa neun Metern Durchmesser, wo die Familie lebte, ein Dutzend Lagerhäuser und Nebengebäude und das kleine Heiligtum des Gottes Nodens, den die Familie verehrte. Als sie Stonehenge erreichten, besah sich Vespasian den gewaltigen zerfallenen Steinkreis voller Interesse. Das Heiligtum wurde offensichtlich nicht regelmäßig benutzt. »Kommen die Druiden hierher?« Tosutigus schüttelte den Kopf. »Zur Zeit meines Vaters kamen sie noch, aber selten. Die Druiden sind weggezogen.«
    »Gab es Menschenopfer?«
    Der junge Herrscher zögerte. Er kannte die Ansicht der Römer über dieses Ritual. Obwohl er an Nodens und andere keltische Götter glaubte, stießen ihn selbst viele althergebrachte Riten der Druiden ab. Tatsächlich hatten mehrere Druiden zehn Jahre zuvor nach einer schlechten Ernte im Henge ein Kind geopfert, aber seitdem hatte es keine Opfer mehr gegeben. »Früher«, antwortete er. Das Gesicht des Römers zeigte Abscheu.
    »Die meisten Druiden leben jetzt weiter nördlich«, erklärte Tosutigus, »oder in den Ländern der Durotrigen. Die Henges benutzen sie kaum, eher Waldlichtungen.«
    »Wenn du je wieder Druiden hier sichtest, wirst du sie in Ketten zu mir schicken«, befahl Vespasian.
    »Wie du wünschst.« Tosutigus lag nicht viel an den Druiden, und er wußte, daß sie, sobald die Römer über

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