Sarum
daß alles in Ordnung war, kam er mit seinen Elefanten herüber und überwachte die Unterwerfung der hitzigen Catuvellauner einige Meilen nördlich der Themse.
Sofort ergaben sich kampflos sechzehn weitere Inselstämme einschließlich des jetzt geschwächten belgischen Stammes der Atrebaten – einige erhofften sich dadurch Vorteile über ihre Nachbarn, andere unterwarfen sich, weil sie wußten, daß die römischen Legionäre kurzen Prozeß mit ihnen machen würden. Wieder andere Stämme, darunter natürlich die stolzen Durotrigen, ergaben sich nicht. Das kümmerte Claudius wenig. Er hatte seinen militärischen Triumph und blieb nur sechzehn Tage auf der Insel.
»Säubert den Rest dieses Landes«, wies er Aulus Plautius an, der zum ersten Statthalter der neuen Inselprovinz Britannien ernannt wurde. Bei seiner Rückkehr nach Rom wurde er, wie es seit je sein Wunsch gewesen war, vom Senat mit einem Triumphzug geehrt. Vespasian war die ideale Verkörperung des römischen Feldherrn: Als Veteran mehrerer Feldzüge hatte er ein hartes, doch gutgeschnittenes Gesicht, das bei seinen Männern Achtung und bei den Frauen Bewunderung weckte. Er war intelligent, kühl, ehrgeizig und skrupellos.
Und er war jung. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten sollten ihn eines Tages sogar auf den Thron bringen. Und keinesfalls durfte einer der Inselbewohner oder ihre keltischen Krieger ihm im Wege stehen. Im nächsten Frühjahr führte der junge Feldherr die II. Legion die Südküste entlang. Die erste Festung der Durotrigen, auf die sie trafen, war nicht eben beeindruckend: ein langer niedriger Hügel neben einem geschützten Hafen. Und um den Hügel und die Landspitze herum waren zwei etwa sechs Meter hohe Wälle aufgeworfen, die am Rand des Hafens endeten. Im Wall befand sich ein beidseitig mit massiven Balken verstärktes und mit eisernen Spitzen versehenes, großes Holztor. Ohne die Wälle und das Tor hätte der kleine Hafen mit der Siedlung daneben einen durchaus friedlichen Eindruck gemacht.
Die Verteidiger jedoch vertrauten darauf, daß ihre Wälle die Eindringlinge abhalten würden. Die Siedlung innerhalb der Einfriedung war derjenigen in Sarum nicht unähnlich, nur daß sie zwei Anlegestege, wo einige Boote vertäut lagen, und mehrere Lagerhäuser für die Handelsware besaß. Und es gab noch ein kleines rundes Gebäude mit einer Öffnung im Dach, das am Hafen eine wichtige Funktion erfüllte: Hier wurden gute Silbermünzen für den König der Durotrigen geprägt, und die gallischen Händler akzeptierten sie. Als der kühne junge Befehlshaber die Verteidigung sah, zuckte er verächtlich die Achseln. Er wußte, was zu tun war. Die Durotrigen standen auf den Wällen. Den näher kommenden Römern schrien sie herausfordernde Dinge zu und schüttelten ihre Speere.
Doch die Römer ließen sich Zeit mit dem Angriff. Zum Erstaunen der Bewohner schütteten sie in aller Ruhe einen Befestigungswall vor dem Tor auf. Dazu brauchten sie zwei Stunden. Dann rollten sie vom Ende der Kolonne langsam eine große Wurfmaschine heran und brachten sie zu dem kleinen Wall mit einem Wagen, der einige riesige Felsblöcke enthielt.
Während dieser Vorbereitungen saß Vespasian auf einem Lederstuhl außer Reichweite der Wälle. Er kümmerte sich nicht um die Durotrigen, sondern diktierte dem Schreiber ein Memorandum: »Du kannst dies dem Statthalter überbringen«, sagte er dem Schreiber, »bei Sonnenuntergang wird dieser Ort unser sein.«
Auf ein Zeichen des Feldherrn hin wurde die Wurfmaschine in Gang gesetzt. Ein Stein schoß in großem Bogen gegen das Tor, daß es barst. Gleich darauf riß ein zweiter Felsblock die Toröffnung frei. »Stürmt die Festung!« befahl Vespasian.
Zum erstenmal erlebten die Durotrigen die perfekte technische Wirksamkeit der Kampfmaschine, die der junge Befehlshaber gegen sie einsetzte.
Eine Zenturie – eine Hundertschaft – formierte sich unter ihrem Zenturio. Nun hoben die Innenstehenden ihre Schilde über den Kopf, so daß diese sich berührten und gleichsam ein lückenloses Dach bildeten. Die vorderen und die äußeren Reihen hielten ihre Schilde vor sich beziehungsweise seitlich, so daß auch Front und Flanken geschützt waren. Dadurch entstand eine Art Panzer ähnlich dem einer riesenhaften Schildkröte – deshalb Testudo genannt –, eine von den Römern bevorzugte Truppenformation. Auf ein Zeichen des Zenturio hin setzte sich diese Testudo in Bewegung und marschierte durch das offene Festungstor, während
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