Sarum
geäußert. »Meine Herren«, hatte er zu Aulus Plautius und den Unterfeldherren im Zelt des Statthalters gesagt, »bedenkt, daß ich mir von dieser Eroberung persönlichen Profit verspreche.« Kein ehrgeiziger Befehlshaber war so unklug, einen solchen Hinweis zu mißachten, und beim Anblick dieser welligen Landschaft und des unbedeutenden jungen Herrschers sah Vespasian gleichzeitig seine eigenen Möglichkeiten.
»Du mußt dir den Kaiser zum Freund machen«, riet er seinem Begleiter.
Tosutigus ging sofort in die Falle. »Wie?«
»Du machst ihm einfach ein Geschenk – du schenkst ihm Land. Du hast viel davon, und er hat weniger, als du vermutest.«
Tosutigus runzelte die Stirn. Diesen Gesprächsverlauf hatte er nicht vorausgesehen. Er wußte, daß in anderen Gegenden der Insel keltische Stammeshäupter dem römischen Kaiser schon vor der Eroberung Geschenke gemacht hatten und zum Ausgleich sowohl Ehren als auch gewinnbringende Verträge erhielten. Aber er zögerte, auch nur einen Teil seines Erbes zu opfern, das in den letzten Generationen ohnehin geschrumpft war.
»Wieviel müßte ich denn abtreten?« fragte er unsicher. »Nicht den Grund, auf dem dein Heim steht – den behältst du«, antwortete Vespasian. »Aber dieses Hochland hier und das Land im Südwesten, das an das Gebiet der Durotrigen grenzt, das gib ihm.«
»Aber…« Tosutigus war entsetzt. »Das sind drei Viertel meines gesamten Landes!«
Vespasians Blick war starr. »Du willst doch König werden. Es ist ein geringer Preis für das, was du verlangst.« Womöglich erhalte ich gar nicht, was ich möchte; dann habe ich all mein Land einem Kaiser gegeben, den ich wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekomme, dachte Tosutigus. »Und wenn ich ablehne?« fragte er dann. Vespasians Gesicht war wie eine Maske. »Du wirst es vielleicht ohnehin verlieren«, bemerkte er leichthin.
Die Drohung war unmißverständlich. Wenn der Römer beschloß, ihm das Land in jedem Fall zu nehmen, konnte er nichts dagegen machen. Die Durotrigen würden seinetwegen keinen Finger rühren. Den Belgen im Osten war er gleichgültig; die Atrebaten hatten ihn vergessen. Angesichts dieser Realität und Vespasians absoluter Überlegenheit brach ihm plötzlich der kalte Schweiß aus.
Er erkannte die grenzenlose Dummheit seines Plans und seine unsichere Position. Er hatte keinerlei Unterstützung. Er hatte sogar die Tore der Festung geöffnet, den einzigen Vorteil, den er in die Waagschale hätte werfen können. Aber auch darin irrte Tosutigus; Vespasian hatte nicht im geringsten vor, Sarum zu erobern. Im Falle einer Eroberung nämlich wäre dieser Landstrich zwangsläufig unter die Kontrolle des Militärs gekommen, und dann wäre eine kleine Garnison an einem nicht sonderlich reizvollen Platz erforderlich gewesen.
Hier jedoch, das sah er sofort, lagen ebenjene fruchtbaren Ländereien, die Claudius gerne für sich und seine Familie haben würde. Der Feldherr wollte keinesfalls eine solche Gelegenheit, die Gunst des Kaisers zu erwerben, verscherzen. Alles, was er brauchte, war ein legales Dokument in entsprechender Abfassung, mit dem das Land als persönliche Schenkung vom jetzigen Besitzer auf Claudius überging. Tosutigus wußte nicht, daß diese Schenkung lediglich Vespasians Ansehen beim Kaiser erhöhte und daß ein solches Dokument in Zukunft von dem geschickten Militärbürokraten verwendet würde, um andere Stammesführer dazu zu bringen, seinem Beispiel zu folgen.
Tatsächlich wäre Vespasian mit der Hälfte des geforderten Landes zufrieden gewesen, und Tosutigus hätte zum Ausgleich zumindest ein Anrecht auf die römische Staatsbürgerschaft gehabt. Doch Tosutigus reagierte in absoluter Verwirrung. »Anscheinend bleibt mir keine Wahl«, murmelte er. Und nun ritten sie schweigend über die Kreidehügel. In der Düne diktierte Vespasian, unter den verwunderten Blicken von Numex und seinen Leuten, dem Zenturio, der als Schreiber fungierte, eilig das Dokument. Danach reichte er es Tosutigus zum Unterzeichnen. Plötzlich kam dem Feldherrn noch ein Gedanke. »Wir müssen dem Ort einen Namen geben. Wie nennt ihr diese Festung?«
»Düne«, antwortete Tosutigus verstockt. »Und den Fluß da unten?«
»Afon.« Dies war das keltische Wort für Fluß.
»Avon?« Er schüttelte den Kopf. Das war ihm nicht klangvoll genug. »Sorvio«, sagte er schließlich. »Das bedeutet: langsamer Flußlauf. Wir werden es Sorviodunum nennen.«
60 n. Chr.
Bei Einbruch der Nacht kam es Porteus so vor,
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