Sarum
wagen, einen derart gefährlichen Brief abzuschicken? Sein Ehrgeiz sagte ihm, daß ihn diese Dinge gar nichts angingen, aber sein Gewissen plagte ihn.
Er mußte die Entscheidung nicht mehr treffen, denn bei Morgengrauen kam Marcus in sein Zelt und rüttelte ihn an der Schulter. »Wach auf, Porteus, schnell!«
Als er ganz zu sich kam, sah er in das ernste Gesicht des jungen Aristokraten. »Was ist los?«
»Kampf, mein Freund. Die Icener haben revoltiert!« Jetzt brauchte er seinem Vater den Brief nicht mehr zu schicken. Es war zu spät; bald stellte sich heraus, daß der Aufstand schlimmer war als befürchtet.
Die Schuld daran trug der Prokurator: Prasutagus, der König des stolzen Icener-Stammes im Osten der Insel, war kurz zuvor gestorben und hatte seine Witwe und zwei Töchter dem Schutz des Kaisers anvertraut. Anstatt sie zu beschützen, konfiszierte Decianus Catus sofort den Großteil ihres Besitzes, und auf den Protest der Icener marschierten römische Truppen ein.
Die Icener waren berechtigterweise zutiefst empört, schleuderten den Eindringlingen Beleidigungen entgegen, und es kam zu kleineren Zusammenstößen. In der festen Überzeugung, diesen Eingesessenen eine Lektion erteilen zu müssen, führten die Offiziere ihre Leute zur Residenz der Königswitwe Boudicca und ordneten die Konfiszierung des Besitzes an. Dies war für den mächtigen Stamm der Auslöser für das nun folgende Fiasko. Die treuen Diener der Königin gingen gegen die vermeintlichen Plünderer vor, und die römischen Truppen konnten nicht länger zurückgehalten werden. Am Abend wurde Boudicca aus dem Haus geschleppt und ausgepeitscht, die beiden Töchter wurden vergewaltigt.
Das war der Funke, der den Aufstand gegen die römische Unterdrückung entfachte. Er breitete sich mit einer für die Eroberer erstaunlichen Geschwindigkeit aus.
Der ganze Stamm der Icener und ihre mächtigen Nachbarn, die Trinovanter, erhoben sich sofort. Nach Meinung der Römer waren nach Claudius’ Eroberung alle Waffen beschlagnahmt worden; nun tauchten sie plötzlich wieder auf, und eine zehntausend Mann starke Horde setzte sich auf die Kolonie Camulodunum in Bewegung. Camulodunum war die erste Provinzgründung der Römer nach ihrer Ankunft. Es besaß ein Forum, einen Tempel, Gerichtshöfe und andere Verwaltungsämter; außerhalb des Stadtwalls hatten sich bereits römische Veteranen auf ihren Gehöften angesiedelt. Es war eine typische römische colonia: reich, selbstzufrieden und, abgesehen von einer kleinen Garnison, ohne Verteidigung. Nun kam eine große Horde wie eine Lawine darauf zu.
»Wir brennen die Tempel der Erpresser nieder!« schrien sie. Die Garnison stand einem solchen Überfall machtlos gegenüber. Boten eilten mit einem Hilferuf zu Sueton: »Camulodunum wird überwältigt« – aber es war schon zu spät.
Obwohl er mit Suetons Politik nicht einverstanden war, mußte Porteus den Statthalter doch bewundern, als er an jenem kalten Morgen vor seine Leute hintrat.
»Der gesamte Osten steht in Flammen«, sagte er knapp. »Dem muß unverzüglich Einhalt geboten werden. Wir haben keine Zeit, zu Fuß zu marschieren. Ich breche jetzt mit der Kavallerie auf. Die XXIV. und XX. Legion folgen im Eilmarsch. Ich habe bereits einen Boten zur Garnison in Glevum geschickt, die näher am Ort ist; sie hat den Befehl, nach Osten zu marschieren. Wir stoßen dann auf dem Weg nach Verulamium zu ihnen. Camulodunum ist wohl schon verloren. Wir müssen jetzt versuchen, den Hafen bei Londinium zu retten.«
So sprengte der furchtlose Statthalter mit nur dreihundert Kavalleristen die lange Straße hinunter, die quer über die ganze Insel nach Londinium führte. Es war kaltes, feuchtes Herbstwetter, und bei Einbruch der Nacht spürte Porteus, wie der Dampf seines Pferdes auf seinem Gesicht zu Eis gefror.
Vor seiner Ankunft in Londinium wurde der Statthalter von zwei Ereignissen hart getroffen. Das erste betraf die Garnison von Lindum im Nordosten. Ihr tapferer Befehlshaber, Petilius Cerialis, hatte die zweitausend unerfahrenen Legionäre von Lindum aus in Marsch gesetzt in der Annahme, sie können den Aufstand allein im Keim ersticken. Er wußte nicht, daß bereits Zehntausende von Stammesleuten in Waffen waren; als seine Truppen ihnen in die Arme liefen, wurden sie restlos niedergemetzelt, und nur der Befehlshaber und seine Kavallerie konnten lebend entkommen. Die Nachricht erreichte Sueton bei seinem Aufbruch aus Mona.
»Das ist Pech«, murmelte er. Es war ein
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