Sarum
sich da etwas tun sollte.«
»Natürlich.« Porteus war sich nicht bewußt, in der Schlacht etwas Außergewöhnliches geleistet zu haben, aber Marcus’ Botschaft hatte ihm klargemacht: Man hatte ihn akzeptiert.
Marcus sah auf Porteus hinunter. Ein netter junger Bursche, dachte er, aus gutem Holz. Aber wie um alles in der Welt hat er es geschafft, sich mit der Tochter eines so wichtigen Mannes wie Gracchus zu verloben? War mit dem Mädchen vielleicht etwas nicht in Ordnung? »Wie ist sie denn, diese Lydia, deine Traumfrau?« erkundigte er sich. »Ich werde sie dir zeigen«, antwortete Porteus, froh, eine weitere Gelegenheit zu haben, seinem Gönner Eindruck zu machen. Stolz zog er eine Miniatur hervor, die er zwischen seinen Papieren verborgen hatte. Schweigend reichte er Marcus das Bildchen.
Es war nicht größer als der Handteller eines Mannes, aber es war ein kleines Kunstwerk und von überraschender Lebensnähe. Marcus betrachtete es bewundernd. »Sie ist schön«, sagte er. »Ja«, rief Porteus begeistert. »In zwei Jahren, wenn ich nach Rom zurückkehre, werden wir heiraten, und dann machen wir einen Besuch in Britannien, und wenn du noch hier bist, wirst du sie kennenlernen.« Einen Augenblick lang war Marcus fast eifersüchtig auf das Glück seines jungen Freundes, »Ich freue mich darauf«, antwortete er. »Also, bis morgen.« Dann ging er.
Porteus fügte seinem Brief ein Postskriptum hinzu, um seinen Eltern von der guten Beurteilung durch den Statthalter zu berichten. Dann saß er eine Weile in sich gekehrt da. Diesmal galten seine Gedanken nicht Lydia, nicht einmal seiner eigenen Person. Sie drehten sich wieder einmal um die politische Frage, die ihn schon seit langem quälte. So jung und unerfahren er auch war, war er doch kein Dummkopf, und in letzter Zeit hatte er wichtige Lektionen über das römische Staatswesen gelernt – Lektionen, die ihn stärker betrafen, als er es je geahnt hatte. Nachdem er die Angelegenheit noch einmal hin und her gewendet hatte, nahm er das Pergament, das er beiseite gelegt hatte, wieder auf und schrieb folgendes:
Mein lieber Vater,
Dies muß natürlich unter uns bleiben – sprich nicht einmal mit meiner Mutter darüber: Ich erbitte Deinen weisen Rat. Die Probleme, von denen ich spreche, sind zahlreich, aber sie haben alle dieselbe Ursache: Wir erwarten von den Inselbewohnern, daß sie unsere römische Art annehmen, während wir ihre Sitten und Gebräuche ignorieren, und so müssen sie uns schließlich hassen. Wir haben, zum Beispiel, in Camulodunum einen schönen neuen Tempel für den Kaiserkult gebaut, und wie üblich wurden eingesessene Stammeshäupter ehrenhalber zu Priestern ernannt. Aber der Tempel ist so groß, seine Zeremonien so aufwendig – wie Du weißt, gehen die anfallenden Kosten zu Lasten der Priester – , daß diese die nötigen Mittel nicht aufbringen können. Statt sie mit Liebe und Respekt für unseren Kaiser zu erfüllen, kommt es so weit, daß sie sich lieber an ihre eigenen, weniger aufwendigen keltischen
Gottheiten halten!
Ein anderes Beispiel: Wir haben unsere Politik gegenüber den Stammesfürsten völlig geändert. Der verstorbene göttliche Claudius begünstigte, wie alle Welt weiß, Vasallenkönige; unser jetziger Kaiser haßt sie, und jetzt begann sein Prokurator, Decianus Catus, den Du mir schon als einen faulen, habgierigen Mann geschildert hast, mit der Konfiszierung ihres Besitzes mit der Behauptung, er gehöre dem Kaiserreich. Wie zu erwarten, sind sie empört und sagen mit Recht, daß wir Römer unser Wort nicht halten.
Viele Stammesoberhäupter sind römischen Gläubigern tief verschuldet. Einige große Finanzmänner bekommen es neuerlich mit der Angst und wollen ihr Geld eintreiben. Da den Stammesoberhäuptern ihr Eigentum genommen ist, können sie nicht zahlen, und damit sind sie ruiniert!
Meiner Ansicht nach müssen wir, wenn diese Provinz jemals erfolgreich verwaltet werden soll, nicht nur den Krieg, sondern auch den Frieden gewinnen. Und das gelingt uns nicht, wenn man uns mißtraut. Aber der Statthalter, ein großartiger Mann, hat nur militärische Aktionen im Gebirge im Sinn, um sein Ansehen bei den anderen Generälen zu festigen, und der Prokurator ist ein absoluter Schurke. Wahrscheinlich sehen das auch andere Männer der Verwaltung, keiner jedoch sagt ein Wort – wenn man Sueton begegnet, weiß man, warum: Sie fürchten ihn alle, und ich auch!
Porteus las dieses zweite Sendschreiben durch. Sollte er es überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher